Der Schatten des Highlanders
sie nie leiden können. Sogar noch weniger als die MacLeods aus dem Süden. Immerhin zog ein MacLeod stets mit dem Schwert in der Hand und einem Lächeln im Gesicht in die Schlacht. Er war aber noch keinem Fergusson begegnet, der nicht hinter irgendeinem verfluchten Busch auf der Lauer lag, wegen irgendeiner eingebildeten Kränkung eine Schmähung ausstieß und Vergeltung forderte.
Außerdem erstachen sie einen gern von hinten.
Sein jüngster Bruder hatte das am eigenen Leibe erfahren. Sim lag mit dem Gesicht nach unten im Schlamm, und ein tückischer Dolch ragte halb aus seinem Rücken. Sein nächstjüngerer Bruder, Breac, war auf die Knie gesunken und hielt sich den Bauch, in dem eben noch ein Schwert gesteckt hatte.
»Cameron, reite zur MacLeod-Hexe.«
Cameron blickte auf. »Was?«
Sein Cousin Giric stand vor ihm. »Ich sagte, reite zur MacLeod-Hexe. Hier ist unsere Niederlage besiegelt. Ich werde Breac zurück zur Burg bringen. Geh die Heilerin holen, bevor er stirbt.«
Cameron ließ den Blick über das Schlachtfeld schweifen und sah, dass sein Cousin recht hatte. Vor ihm lagen zwar mehr tote Fergussons, als seine Augen je hatten sehen dürfen, aber sein Clan hatte einen hohen Preis dafür bezahlt — obgleich auf ihrer Seite auch weniger Männer ums Leben gekommen waren.
Wenn er jedoch den Verlust des Bruders in Betracht zog, der bereits tot war, und den des anderen Bruders, der noch vor Mitternacht tot sein würde, dann war der Preis sogar außerordentlich hoch. Und wofür? Für eine weitere eingebildete Demütigung.
Er stand im Regen und blickte fassungslos auf Sim hinunter, den schönen, furchtlosen Jungen, der nur 20 Winter gesehen hatte. Wo blieb da die Gerechtigkeit, wenn er an diesem nasskalten Frühlingstag seinem Tod begegnete? Ein Mädchen wartete auf ihn in der Burg, ein Mädchen, das er im Sommer heiraten wollte und dessen eigenes Leben nun der Verzweiflung anheimfiel.
Und dann Breac. 24 Jahre hatte er erlebt, Jahre voller Lachen und Jungfern, die sich um ihn zankten. Er hatte eine Frau, einen kleinen Sohn, und im Herbst würde ein weiteres Kind geboren. Wie würde Gilly reagieren, wenn man Breac zurückbrachte, blutend aus einer Wunde, die keine Macht der Welt heilen konnte?
Zumindest auf ihn wartete niemand in der Burg. Er war zu mürrisch, zu fordernd, zu barsch. Hin und wieder fand sich ein junges Ding bereit, mit ihm das Lager zu teilen, aber keine hatte die Absicht, sein Herz zu erobern. Vielleicht war es ein Unglück, dass von all seinen Brüdern ausgerechnet er unverletzt aus der Schlacht zurückkehrte.
»Cam!«
Er richtete den Blick auf seinen Cousin. »Nenn mich nicht so«, knurrte er. »So nennt mich nur Sim.«
»Also gut, Cameron «, schnarrte Giric, »Jetzt hol endlich diese verdammte MacLeod-Hexe, bevor du einen weiteren deiner Brüder umbringst.« Er spuckte auf den blutgetränkten Boden. »Du hättest dieser Herausforderung nicht in einem offenen Kampf begegnen sollen.«
»Ich bin kein Fergusson«, erwiderte Cameron eisig. »Ich krieche nicht hinter denen her, die ich töten möchte.«
»Ja, und wegen deiner kostbaren Ehre sind deine Brüder nun tot, oder etwa nicht?«
Cameron wusste, er sollte das blutbefleckte Schwert, das er in seinen Händen hielt, ein letztes Mal benutzen, um den Hurensohn zu töten, der vor ihm stand. Aber da Giric sein Cousin ersten Grades war — und der einzige, den er noch hatte gab es wohl Grund genug, ihn noch ein wenig länger leben zu lassen. »Bring Breac in meine Kammer«, befahl er.
»Das werde ich. Nun geh!«
Cameron nickte, dann gewahrte er einen Priester, der durch den Schlamm watete und sich hin und wieder bückte, um Augenlider zu schließen oder nach einem Herzschlag zu fühlen.
Er wandte sich ab, denn er brachte es nicht über sich, zuzusehen, wie der Mann seinen Brüdern die Augen schloss -nicht, solange es in seiner Macht stand, noch einen von ihnen zu retten.
Er wandte sich in fieberhafter Eile um, steckte sein Schwert in die Scheide zurück, die über seinen Rücken geschnallt war, schwang sich auf sein Pferd, riss es herum und galoppierte Richtung Süden davon.
Er würde die Hexe holen und hoffen.
Etwas anderes konnte er nicht tun.
Fast zwei Stunden galoppierte er, als sei ihm der leibhaftige Teufel auf den Fersen. Er verlangsamte seinen Ritt erst, als er das Land der MacLeods erreichte, und auch dann nur, weil es hier angebracht war, vorsichtig zu sein. Vielleicht wäre es klug gewesen, ihnen kundzutun, warum er
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