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Der Schatten des Schwans

Der Schatten des Schwans

Titel: Der Schatten des Schwans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Hände, fährt nach Hause, gibt seiner Tochter Schlaftabletten, packt seine Frau und . . . ratsch! . . .« Sie schüttelte sich.
    »Und dann geht er zu dem Mädchen. Aber da hat dann doch noch eine Hemmung gegriffen, denn es hat schwer verletzt überlebt«, kürzte Lühns die weitere Sachdarstellung ab.
    »Ich bin gerührt. Und das alles, weil ihn die Frau verlassen wollte«, antwortete die Vorsitzende. »Na schön. Zur Frage der Schwere der Schuld hat sich das Ulmer Landgericht ja nicht besonders erschöpfend geäußert.«
    »Das Urteil ist lausig«, sagte Lühns. »Der Mann war offenbar medikamentenabhängig, möglicherweise in einem Maß, dass es die Persönlichkeitsstruktur verändert hat. Aber wegen der Entrüstung in der Öffentlichkeit über den Fall wollte die Kammer keine Konzessionen machen und ist der Frage einer verminderten Schuldfähigkeit nicht weiter nachgegangen.«
    »Und weil sie das nicht getan hat, konnte sie den Mann auch nicht in die Psychiatrie stecken«, warf der beisitzende Richter Holzheimer ein.
    »Und ich hab’ die Bescherung«, seufzte Isolde Kumpf-Bachmann, die gern alles auf sich selbst bezog.
    Schuld war das Bundesverfassungsgericht. 1977 hatte es entschieden, auch einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten müsse die Hoffnung bleiben, in späteren Jahren auf Bewährung entlassen zu werden. Seither hatten immer wieder alt gewordene Lust-, Frauen- und Raubmörder vor dem Schreibtisch der Richterin gestanden, und fast alle waren sie nach 15 oder 20 Jahren Knast krumme, arthritische Kümmermolche geworden, mit Krebs oder wenigstens Hämorrhoiden geschlagen.

    Der, um den es hier ging, Wolfgang Thalmann, war inzwischen 55 Jahre alt, das dunkle Haar grau durchsetzt, ein mittelgroßer, keineswegs geduckter Mensch, der bei der Anhörung fast gemessen und durchaus seriös gewirkt hatte. Aufgefallen waren ihr aber vor allem die schwarzen traurigen Augen. Es waren die Augen eines Menschen, der weiß, dass die Welt von Grund auf böse ist, vor allem zu ihm selbst. Isolde Kumpf-Bachmann waren solche Charaktere von jeher besonders verdächtig gewesen.
    »Seine Führung ist nun wirklich einwandfrei«, hörte sie Lühns vortragen. »Sie haben ihm die Buchführung der Anstaltsschreinerei übertragen, die er dann auf moderne Datenverarbeitung umgestellt hat. Inzwischen läuft die ganze Schreinerei mit computergesteuerten Maschinen, und der Anstaltsleiter hat mir gesagt, er wisse gar nicht, was er machen solle, wenn wir ihm den Thalmann wegnehmen.«
    »Was mich mehr interessiert, ist die Tochter, die damals überlebt hat«, sagte die Kumpf-Bachmann. Ob man eine Gefahr für das Mädchen, nein: für die junge Frau wirklich ausschließen könne?
    Kontakt bestehe zwischen Vater und Tochter seines Wissens nicht, antwortete Lühns, und der Anstaltspsychologe habe Thalmann eine gute Prognose gestellt – was vor 17 Jahren geschehen sei, müsse als das Ergebnis einer zwar katastrophalen, aber eben doch unwiederholbaren Konstellation gesehen werden.
    »Na ja, nachdem die Frau tot ist, kann er sie schlecht noch einmal...«, warf der Beisitzende Holzheimer ein.
    »Es war keine Konstellation, sondern ein Rasiermesser«, sagte die Kumpf-Bachmann grimmig. »Und wie Sie mir vorhin erklärt haben, gibt es diese Dinger noch immer. Wir lehnen ab.«
     
    Es war falsch gewesen, dachte sich Lühns Stunden später, als er auf der Schnellstraße durch das aufkommende Schneetreiben
nach Süden fuhr. Aber wenn Isolde Kumpf-Bachmann in dieser Stimmung war, widersprach man ihr nicht. Rechts sah er das weit gestreckte Gelände von Mariazell, gespenstisch hell erleuchtet, im Licht der Suchscheinwerfer trieben die Schneeflocken. Es sah aus wie ein Irrenhaus aus Tausendundeiner Nacht, von einer wunderlichen Fee mitten ins winterliche Allgäu verhext, dachte sich Lühns.
    Aber Mariazell war kein Irrenhaus. Mariazell war ein Knast.

Sonntag, 25. Januar
    Die Straße führte über die verschneite Albhochfläche. Es war später Sonntagvormittag, die Fahrbahn war geräumt, dennoch fuhr Tamar für Berndorfs Gefühl wie immer zu schnell. Mit leisem Unbehagen – als geniere er sich wegen seiner Ängstlichkeit – legte er die rechte Hand stützend aufs Armaturenbrett, als Tamar den Passat scharf durch eine Linkskurve zog. »Fahr ich Ihnen zu schnell, Chef?«
    »My dear Watson!«, antwortete Berndorf. Tamar entschuldigte sich. Zur Ablenkung wollte sie wissen, wie es in Münster-Hiltrup gewesen war. In der vergangenen Woche hatte

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