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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Findet Freude am Richtigen und nur am Richtigen.« Das schien wirklich ein trockener Unsinn zu sein.
    Min lächelte Gawyn an und brachte sogar ein Kichern fertig. »So viele Worte. Ich fürchte, ich verstehe nichts von Büchern, Lord Gawyn. Ich wollte aber immer schon eins lesen - wirklich.« Sie seufzte. »Aber ich habe so wenig Zeit. Nur allein schon meine Frisur aufzufrischen dauert Stunden. Findet Ihr sie hübsch?« Die völlige Verblüffung in seinem Gesichtsausdruck hätte sie beinahe zum Lachen gebracht, aber sie ließ es gerade noch zu einem Kichern abgleiten. Es war ein Vergnügen, bei ihm einmal den Spieß umzudrehen. Das mußte sie öfter versuchen. Es lagen doch wohl Möglichkeiten in dieser Verkleidung, an die sie noch gar nicht gedacht hatte. Ihr Verbleiben in der Burg war zu einer Zeit der Langeweile und wachsenden Nervosität geworden. Sie hatte sich ein wenig Vergnügen verdient.
    »Lothair Mantelar«, sagte Gawyn stockend, »war der Begründer der Kinder des Lichts. Der Weißmäntel!« »Er war ein großer Mann«, sagte Galad entschieden. »Ein Philosoph der noblen Ideale. Wenn die Kinder des Lichts im Laufe der Zeit ein wenig... über das Ziel hinausgeschossen sind, so ändert das nichts daran.« »O je, Weißmäntel«, gab Min atemlos von sich und schauderte auch noch leicht dabei. »Das sind Männer mit so rauhen Sitten, wie ich höre. Ich kann mir keinen Weißmantel beim Tanzen vorstellen. Glaubt Ihr, daß es hier irgendeine Möglichkeit gibt, einmal tanzen zu gehen? Aes Sedai halten wohl auch nichts davon, und ich liebe das Tanzen doch so.« Die Frustration in Gawyns Blick war einfach köstlich.
    »Ich glaube nicht«, sagte Galad und nahm ihr das Buch wieder ab. »Aes Sedai sind mit... ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt. Wenn ich von einer passenden Tanzveranstaltung in der Stadt höre, werde ich Euch hinbegleiten, falls Ihr das wünscht. Ihr müßt keine Angst haben, von diesen beiden ungehobelten Kerlen belästigt zu werden.« Er lächelte sie an, allerdings völlig unbewußt, und ihr blieb plötzlich wirklich die Luft weg.
    Man sollte Männern kein solches Lächeln gestatten.
    Sie brauchte einen ganzen Augenblick, bis ihr klar wurde, welche ungehobelten Kerle er meinte: die beiden Männer, die angeblich um Elmindredas Hand angehalten hatten und sich beinahe duelliert hätten, weil sie sich nicht entscheiden konnte und immer wieder beiden Mut machte. Sie hatten sie - angeblich - so bedrängt, daß sie in der Burg Zuflucht gesucht hatte. Das war ja die ganze Ausrede, mit der sie ihre Anwesenheit hier erklärte. Es ist dieses Kleid, sagte sie sich. Ich könnte klarer denken, wenn ich meine normale Kleidung anhätte.
    »Mir ist aufgefallen, daß die Amyrlin jeden Tag mit dir spricht«, sagte Gawyn plötzlich. »Hat sie unsere Schwester Elayne erwähnt? Oder Egwene al'Vere? Hat sie irgend etwas davon erwähnt, wo sie sich aufhalten?« Min wünschte sich, sie könnte ihm ein blaues Auge verpassen. Er wußte natürlich nicht, warum sie vorgab, jemand anderes zu sein, aber er hatte versprochen, ihr bei ihrer Tarnung als Elmindreda behilflich zu sein, und nun sprach er von ihr und gerade jenen Frauen, von deren Freundschaft zu Min schon zu viele in der Burg wußten. »Oh, die Amyrlin ist eine so wundervolle Frau«, sagte sie süßlich. Sie fletschte die Zähne zu einem gequälten Lächeln. »Sie fragt mich immer, wie ich meine Zeit verbringe und macht mir Komplimente über meine Kleidung. Ich denke, sie hofft, ich werde mich nun bald entweder für Darvan oder Goemal entscheiden, aber ich kann einfach nicht.« Sie riß die Augen ein wenig auf und hoffte, so einen hilflosen und verwirrten Eindruck zu machen. »Sie sind beide so süß. Von wem habt Ihr gesprochen? Von Eurer Schwester, Lord Gawyn? Der Tochter-Erbin? Ich glaube nicht, daß die Amyrlin sie jemals erwähnt hat. Wie war doch gleich der andere Name?« Sie hörte, wie Gawyn mit den Zähnen knirschte.
    »Wir sollten Frau Elmindreda nicht mit so etwas belästigen«, sagte Galad. »Das ist unser Problem, Gawyn. Es ist an uns, die Lüge zu durchschauen und damit fertigzuwerden.« Sie hörte kaum hin, denn plötzlich starrte sie einen hochgewachsenen Mann mit dunklen, in Locken bis auf seinen herabhängenden Schultern fallenden Haaren an, der unter dem wachsamen Blick einer Aufgenommenen ziellos den Kiesweg unter den Bäumen entlangschlenderte. Sie hatte Logain schon öfters gesehen, einen früher einmal starken Mann mit traurigem Gesicht,

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