Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
Gerüchte übertreiben immer. Ich glaube das erst, wenn ich es sehe, und um mich zu überzeugen, ist ein wenig mehr nötig. Selbst der Stein kann einmal fallen. Licht, ich glaube eigentlich nicht, daß sich Elayne und Egwene in Tear aufhalten, aber es frißt mich auf wie Säure, daß ich nichts von ihnen weiß. Wenn ihr etwas passiert ist... « Min wußte nicht, welche der beiden er mit ›ihr‹ meinte, doch sie vermutete, es sei ihm selbst nicht klar. Trotz aller seiner Manöver, um sie zu ärgern, schloß sie ihn in diesem Augenblick ins Herz, doch ändern konnte sie nichts. »Wenn du nur wenigstens genau machst, was ich dir sage, und... « »Ich weiß: der Amyrlin vertraust. Vertrauen!« Er atmete langgezogen aus. »Weißt du, daß Galad in den Tavernen der Stadt mit Weißmänteln geredet und getrunken hat? Jeder kann die Brücken überqueren, wenn er in Frieden kommt; sogar die verfluchten Kinder des Lichts.« »Galad?« fragte sie ungläubig. »In Tavernen? Trinken?« »Nicht mehr als ein oder zwei Becher, da bin ich sicher. Mehr würde er niemals trinken, nicht einmal an seinem Namenstag.« Gawyn zog die Stirn kraus. Anscheinend war ihm selbst nicht klar, ob er damit Galad kritisiert hatte oder nicht: »Der springende Punkt ist aber, daß er sich mit Weißmänteln unterhalten hat. Und nun noch dieses Buch. Der Widmung nach zu schließen, hat Eamon Valda selbst es ihm gegeben. ›In der Hoffnung, daß Ihr den Weg findet.‹ Valda, Min! Der Mann, unter dessen Befehl die Weißmäntel auf der anderen Seite der Brücken stehen. Die Ungewißheit frißt auch Galad auf. Auf Weißmäntel zu hören... ! Wenn unserer Schwester oder Egwene irgend etwas zustößt... « Er schüttelte den Kopf. »Weißt du, wo sie sind, Min? Würdest du es mir anvertrauen? Warum diese Verkleidung?« »Weil ich mit meiner Schönheit zwei Männer verrückt gemacht habe und mich zwischen ihnen nicht entscheiden kann«, teilte sie ihm in beißendem Ton mit.
    Er lachte bitter auf und verbarg schnell die Bitterkeit hinter einem Grinsen. »Na ja, wenigstens das kann ich verstehen.« Nun schmunzelte er und hob mit seinem Zeigefinger ihr Kinn an. »Du bist ein hübsches Mädchen, Elmindreda. Ein hübsches und kluges kleines Mädchen.« Sie ballte eine Faust und versuchte, ihm aufs Auge zu schlagen, doch er tänzelte rückwärts, und sie stolperte über ihren Rock und wäre beinahe gestürzt. »Du verdammter Ochse von einem hirnlosen Kerl!« grollte sie.
    »Welch graziöse Bewegung, Elmindreda«, lachte er. »Diese zauberhafte Stimme, wie eine Nachtigall, wie eine Turteltaube am Abend! Welcher Mann käme nicht ins Träumen, wenn er Elmindreda sieht?« Das Vergnügen glitt von seinem Gesicht ab und er sah ihr ernst in die Augen. »Wenn du irgend etwas in Erfahrung bringst, laß es mich bitte wissen. Bitte! Ich bitte dich auf Knien, Min!« »Ich werde es dir sagen«, antwortete sie. Wenn ich kann. Wenn es ihnen nicht schadet. Licht, wie ich diesen Ort
    hasse. Warum kann ich nicht zu Rand zurückgehen?
    Sie ließ Gawyn stehen und ging allein in das Wohngebäude der Burg. Sie sah sich wachsam um, ob eine Aes Sedai oder eine Aufgenommene in der Nähe sei, die sie vielleicht fragen könnte, warum sie hochgehe und nicht im Erdgeschoß blieb und wohin sie wolle. Was sie an Logain beobachtet hatte, war zu wichtig, um darauf zu warten, daß die Amyrlin ihr angeblich ganz zufällig am späten Nachmittag erst begegnete. Zumindest redete sie sich das ein. Die Ungeduld ließ sie fast aus der Haut fahren.
    Sie sah nur ein paar Aes Sedai, die entweder weit vor ihr um irgendeine Ecke kamen oder ein entferntes Zimmer betraten. Das war erfreulich. Niemand kam einfach vorbei, um der Amyrlin einen Besuch abzustatten. Die Handvoll Dienerinnen, die an ihr vorbeieilten und ihrer Arbeit nachgingen, stellten ihr selbstverständlich keine Fragen, warfen ihr nicht einmal einen Blick nach, wenn sie ganz kurz vor ihr geknickst hatten, ohne im Schritt richtig innezuhalten.
    Sie öffnete die Tür zum Arbeitsbereich der Amyrlin und hatte sich schon eine Geschichte zurechtgelegt, falls sich jemand Fremdes bei Leane aufhielt. Doch das Vorzimmer war leer. So eilte sie zur Innentür und steckte den Kopf hinein. Die Amyrlin und die Behüterin saßen sich an Siuans Tisch gegenüber, der mit schmalen, dünnen Papierstreifen übersät war. Ihre Köpfe drehten sich abrupt ihr zu und die Blicke trafen sie wie vier Nägel, die man in sie hämmerte.
    »Was tust du hier?« fauchte die Amyrlin.

Weitere Kostenlose Bücher