Der Schatten erhebt sich
gut gehen, falls es dem Licht gefällt.« »Es war doch eine Damane auf dem Schiff der Seanchan, nicht wahr?« Die Windsucherin sah sie fragend an. »Eine der gefangenen Frauen, eine, die mit der Macht umgehen kann.« »Ihr seid sehr weise für eine so junge Frau. Deshalb hatte ich zuerst geglaubt, Ihr wärt noch gar keine Aes Sedai, weil Ihr eben so jung seid. Ich glaube, meine Töchter sind älter als Ihr. Ich wußte nicht, daß sie eine Gefangene war. Nun wünsche ich, wir hätten sie gerettet. Der Wogentänzer lief anfangs dem Seanchan-Schiff glatt davon. Wir hatten von ihnen und ihren Schiffen mit den gerippten Segeln gehört, und daß sie seltsame Eide zu schwören verlangten und diejenigen bestraften, die dazu nicht bereit waren. Aber dann brach die - Damane? - zwei unserer Masten, und sie enterten uns mit Schwertern in der Hand. Ich schaffte es, auf dem Schiff der Seanchan Feuer ausbrechen zu lassen, obwohl es mir schwerfällt, mit dem Element Feuer umzugehen, außer, wenn ich eine Lampe anzünden will, doch diesmal gelang es mir mit Hilfe des Lichts. Dann brachte Toram die Mannschaft zum Kämpfen, bis die Seanchan auf ihr eigenes Schiff zurückgeworfen wurden. Wir schnitten die Leinen der Enterhaken ab, und ihr Schiff trieb brennend weg. Sie waren zu sehr damit beschäftigt, das Feuer zu löschen, um sich noch viel um uns zu kümmern, als wir mühsam wegsegelten. Ich habe es bedauert, ihn brennen und sinken zu sehen; er war ein gutes Schiff, glaube ich, besonders bei schwerer See. Und nun bedaure ich es noch mehr, denn wir hätten diese Frau, diese Damane, retten können. Obwohl sie uns ja Schaden zugefügt hat, hätte sie das in Freiheit vielleicht nicht getan. Das Licht leuchte ihrer Seele und die Wasser mögen sie friedlich empfangen.« Sie war über ihrer Erzählung traurig geworden. Man mußte sie ablenken. »Jorin, warum bezeichnen die Atha'an Miere Schiffe als ›er‹? Jeder sonst, den ich jemals getroffen habe, hat ein Schiff als ›sie‹ angesprochen. Es ist wohl kein großer Unterschied, aber warum das?« »Die Männer werden Euch eine andere Antwort geben«, sagte die Windsucherin lächelnd, »und von Stärke und Größe und ähnlichen sprechen, wie es ihre Art ist, aber hier ist die Wahrheit: Ein Schiff lebt, und er ist wie ein Mann, mit dem wahren Herzen eines Mannes.« Sie streichelte liebevoll über die Reling, als streichle sie etwas Lebendiges, etwas, das die Liebkosung wahrnehmen konnte. »Behandle ihn gut und pflege ihn richtig, dann kämpft er für Euch auch gegen den schlimmsten Sturm. Er wird kämpfen, um Euch am Leben zu erhalten, auch wenn er selbst schon lange den Todesstoß erhalten hat. Vernachlässige ihn und ignoriere die kleinen Warnsignale, die er bei Gefahr von sich gibt, dann wird er Euch bei ruhiger See unter wolkenlosem Himmel ertränken.« Elayne hoffte, daß Rand nicht auch so wetterwendisch sei. Aber warum hüpft er dann um mich herum und tut so, als sei er froh, mich gehen zu sehen, und im nächsten Moment schickt er mir Juilin Sandar hinterher? Sie sagte sich, sie müsse endlich aufhören, an ihn zu denken. Er war nun weit weg. Sie konnte, was ihn betraf, jetzt sowieso nichts mehr unternehmen.
Sie blickte sich um in Richtung Bug. Thom war weg. Sie war sicher, den Schlüssel zu seinem Rätsel gefunden zu haben, gerade in dem Moment, bevor sie gespürt hatte, wie die Windsucherin die Macht benützte. Es hatte etwas mit seinem Lächeln zu tun. Nun, was es auch gewesen sein mochte, sie erinnerte sich jetzt nicht mehr daran. Aber sie hatte vor, sich noch näher damit zu beschäftigen, bis sie Tanchico erreichten, und wenn sie sich auf ihn setzen müßte. Er konnte ihr ja nicht weglaufen. »Jorin, wie lange dauert es bis zu unserer Ankunft in Tanchico? Ich habe gehört, daß Eure Klipper die schnellsten Schiffe der Welt sind, aber wie schnell ist der Wogentänzer?«
»Nach Tanchico? Um dem Coramoor zu helfen, werden wir zwischendurch in keinem Hafen anlegen. Vielleicht zehn Tage, wenn ich die Winde gut genug verweben kann und falls es dem Licht gefällt, daß ich die richtigen Strömungen finde. Vielleicht sogar nur sieben oder acht Tage mit Hilfe der Gnade des Lichts.« »Zehn Tage?« Elayne schnappte nach Luft. »Das kann doch nicht möglich sein.« Sie hatte schließlich auch schon einmal Karten studiert.
Das Lächeln der anderen Frau wirkte stolz, ob ihrer Zweifel aber auch ein wenig beleidigt. »Wie Ihr selbst sagtet, die schnellsten Schiffe der Welt. Die
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