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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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und sollte nicht in so vertrautem Tonfall von einer Königin sprechen. Seltsam und ärgerlich, daß er nun amüsiert erschien. Amüsiert!
    »Die Atha'an Miere wissen es auch nicht«, sagte er. »Sie sehen nicht mehr von den Ländern jenseits der Aiel-Wüste, als die paar Meilen rund um eine Handvoll Hafenstädte, die sie anlaufen dürfen. Diese Orte haben hohe Mauern und werden so bewacht, daß man noch nicht einmal hochklettern kann, um nachzusehen, wie es auf der anderen Seite aussieht. Falls eines ihrer Schiffe irgendwo anders festmacht - oder auch ein Schiff aus einem anderen Land, denn nur dem Meervolk ist es erlaubt, diese Länder überhaupt zu besuchen -, wird dieses Schiff mitsamt seiner Besatzung niemals mehr gesehen. Und das ist auch schon fast alles, was ich Euch dazu sagen kann, obwohl ich viele Jahre lang Erkundigungen eingezogen habe. Die Atha'an Miere wahren ihre Geheimnisse, aber ich glaube nicht, daß sie viel mehr darüber wissen. Nach alledem, was ich erfahren habe, hat man auch die Leute aus Cairhien genauso behandelt, als es ihnen noch gestattet war, die Seidenstraße durch die Aielwüste zu benützen. Die Händler aus Cairhien sahen niemals mehr, als eine einzige Stadt mit hohen Mauern, und wer sich davon entfernte, der verschwand spurlos.« Elayne ertappte sich dabei, daß sie ihn genauso neugierig musterte wie vorher die Delphine. Welche Art von Mensch war er? Zweimal bereits hätte er Grund gehabt, sie auszulachen - er hatte sich ja auch amüsiert, wie sie zähneknirschend zugeben mußte -, doch statt dessen unterhielt er sich ernst mit ihr, wie ein... Nun ja, wie ein Vater mit seiner Tochter. »Vielleicht findet Ihr ein paar Antworten auf diesem Schiff, Thom. Sie wollten an sich nach Osten fahren, bis wir die Segelherrin überredeten, uns nach Tanchico zu bringen. Nach Schara, sagte der Zahlmeister, östlich von Mayene. Das muß bedeuten: Es liegt jenseits der Wüste.« Er sah sie einen Augenblick lang an. »Schara sagt Ihr? Den Namen habe ich noch nie gehört. Ist Schara eine Stadt oder ein Staat oder beides? Vielleicht erfahre ich wirklich hier noch etwas Neues.« Was habe ich gesagt? fragte sie sich. Ich habe etwas gesagt, um ihn zum Nachdenken zu bringen. Licht! Ich sagte ihm, daß wir Coine überredet haben, ihre Pläne zu ändern. Es konnte an sich nicht weiter schaden, doch sie schalt sich selbst eine Närrin. Ein unvorsichtiges Wort diesem netten alten Mann gegenüber würde vielleicht keinen Schaden anrichten, aber in Tanchico könnte sie das umbringen und Nynaeve dazu, gar nicht zu sprechen von dem Diebfänger und Thom selbst. Wenn er wirklich ein so netter alter Mann war. »Thom, warum seid Ihr mit uns gekommen? Nur weil Moiraine Euch darum bat?« Seine Schultern bebten und ihr wurde bewußt, daß er über sich selbst lachte. »Was das betrifft, nun, wer weiß das schon? Man widerspricht selten einer Aes Sedai, die einen um einen Gefallen bittet. Vielleicht war es auch die Aussicht auf Eure angenehme Gesellschaft die Reise über. Oder ich habe erkannt, daß Rand alt genug ist, um auf sich selbst aufzupassen, jedenfalls eine Weile lang.« Er lachte schallend, und sie mußte mitlachen. Allein schon der Gedanke, daß dieser weißhaarige alte Bursche auf Rand aufpaßte! Das Gefühl, ihm vertrauen zu können, kehrte zurück, noch stärker als zuvor, als er sie anblickte. Nicht, weil er über sich selbst lachen konnte, oder jedenfalls nicht nur deshalb. Sie kannte auch keinen anderen Grund als den, daß sie einfach nach einem Blick in diese blauen Augen nicht glauben konnte, er werde jemals etwas unternehmen, was ihr schaden könnte.
    Der Drang, ihn wieder am Schnurrbart zu zupfen, war beinahe überwältigend, aber sie zwang ihre Hände zur Untätigkeit. Sie war schließlich kein Kind mehr. Ein Kind. Sie öffnete den Mund... und plötzlich war alles vergessen.
    »Bitte entschuldigt mich, Thom«, sagte sie schnell. »Ich muß... Entschuldigt mich.« Sie ging hastig in Richtung Heck und wartete nicht auf eine Antwort. Er glaubte vielleicht, daß sie wegen der Schaukelei des Schiffs seekrank geworden sei. Der Wogentänzer schwankte nun mehr und bewegte sich schneller als zuvor durch die mächtigen Wogenberge. Der Wind hatte aufgefrischt.
    Zwei Männer standen am Rad auf dem Achterdeck. Die Muskeln beider waren notwendig, um das Schiff auf Kurs zu halten. Die Segelherrin befand sich nicht an Deck, aber die Windsucherin stand an der Reling hinter den Rudergängern, mit nacktem Oberkörper,

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