Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
jeweils vielleicht eine halbe Meile entfernt, befanden. Die beiden Gruppen von niedrigen, an der Seite offenen Zelten, von denen die eine etwa doppelt so groß war wie die andere, klebten förmlich am Berghang und waren nur schwer auszumachen, doch die graubraun gekleideten Aiel darin mit ihren Kurzspeeren und bespannten, schußbereiten Hornbögen konnte man gut sehen. Sie verschleierten sich gerade, soweit sie es nicht schon waren. Angriffsbereit standen sie trotzdem locker und entspannt da.
    »Der Friede Rhuideans!« rief eine Frauenstimme von weiter oben her, und Egwene spürte, wie die Anspannung der Aiel in ihrer Umgebung sich löste. Die zwischen den Zelten lösten ihre Schleier wieder, obwohl sie noch immer mißtrauisch herüberspähten.
    Jetzt wurde sie auch eines weiteren, wenn auch viel kleineren Lagers hoch droben am Hang gewahr. Dort standen ein paar der niedrigen Zelte auf einem winzigen, ebenen Vorsprung. Vier Frauen schritten von diesem Lager aus den Hang herab, ernst und würdevoll in der Bewegung und angetan mit dunklen, weiten Röcken und lose hängenden weißen Blusen. Um die Schultern trugen sie trotz der Hitze jeweils eine braune oder graue Stola und Halsketten sowie Armreife aus Gold und Elfenbein. Zwei der Frauen hatten weißes Haar, während das einer weiteren golden wie die Sonne war. Sie alle trugen es lang, bis zur Hüfte hinunterfließend und nur von um die Stirn geschlungenen, gefalteten Tüchern zurückgehalten.
    Egwene erkannte die eine der beiden weißhaarigen Frauen: Amys, die Weise Frau, die sie in Tel'aran'rhiod kennengelernt hatte. Wieder wurde ihr der Kontrast zwischen dem sonnengebräunten Gesicht und dem schneeweißen Haar bei Amys deutlich bewußt; die Weise Frau wirkte einfach nicht alt genug. Die zweite Weißhaarige hatte ein faltiges, großmütterliches Gesicht, und eine weitere, ihr Haar war dunkel und mit Grau durchsetzt, schien etwa gleich alt. Sie war sich sicher, daß alle vier Weise Frauen waren, wahrscheinlich dieselben, die den Brief an Moiraine unterzeichnet hatten.
    Die Aielfrauen blieben zehn Schritt oberhalb der Versammlung um den Portalstein stehen, und die großmütterliche Frau breitete die Arme aus. Sie sprach mit alter, doch immer noch kräftiger Stimme: »Der Friede von Rhuidean sei mit Euch. Wer zum Chaendaer kommt, soll in Frieden in seine Festung zurückkehren. Es wird kein Blut vergossen werden.« Damit begannen die Aiel aus Tear, sich voneinander zu lösen und schnell die Packtiere und den Inhalt ihrer Tragekörbe untereinander aufzuteilen. Diesmal ging es nicht mehr nach Kriegergemeinschaften. Egwene sah bei mehreren Gruppen Töchter des Speers. Ein paar dieser Gruppen gingen sofort los und mieden dabei sowohl die anderen wie auch die Lager, Friede von Rhuidean oder nicht. Andere gingen auf das eine oder das andere der beiden großen Lager zu, wo man nun endlich auch die Waffen ablegte.
    Nicht jeder war sich des Friedens von Rhuidean so sicher gewesen. Lan ließ nun den Griff seines Schwerts los, das aber immer noch in der Scheide steckte. Egwene hatte gar nicht bemerkt, wie er es gepackt hatte. Mat steckte schnell ein paar Messer in seine Ärmel zurück. Rand stand da und hatte die Daumen in den Gürtel eingehakt, doch in seinen Augen stand deutlich die Erleichterung.
    Egwene sah sich nach Aviendha um, damit sie ihr ein paar Fragen stellen konnte, bevor sie mit Amys sprach. Hier, in ihrem eigenen Land, würde die Aielfrau wohl ein wenig offener von den Weisen Frauen erzählen. Sie entdeckte die Tochter des Speers, die einen großen Jutesack trug, in dem es hörbar klapperte. Über die Schulter hatte sie sich zwei eingerollte Wandbehänge gelegt, und sie ging mit schnellen Schritten auf eines der großen Lager zu.
    »Du bleibst hier, Aviendha«, sagte die Weise Frau mit den grauen Strähnen im dunklen Haar laut und deutlich.
    Aviendha blieb wie angewurzelt stehen und blickte zu Boden.
    Egwene wollte zu ihr hinübergehen, aber Moiraine sagte leise: »Mischt Euch am besten nicht ein. Ich bezweifle auch, daß sie Sympathie braucht oder sonst etwas, was Ihr ihr bieten könntet.« Egwene nickte unwillkürlich. Aviendha sah aus, als wolle sie ihre Ruhe haben. Was wollten die Weisen Frauen von ihr? Hatte sie irgendeine Vorschrift übertreten oder ein Gesetz gebrochen?
    Sie dagegen hätte gern ein wenig andere Gesellschaft gehabt. Sie fühlte sich allen Blicken ausgesetzt, nun, da sie nicht mehr von Aiel umgeben war, und von sämtlichen Zelten her blickten

Weitere Kostenlose Bücher