Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
die Puppen - und die Speere - beiseite zu legen und die Frau zu werden, die zu werden dir bestimmt ist.« Mit einemmal wurde Egwene klar warum sie von Beginn an eine solche Kameradschaft zu Aviendha empfunden hatte. Nun wußte sie, warum Amys und die anderen aus ihr eine Weise Frau machen wollten. Aviendha konnte die Macht gebrauchen. Genau wie sie, wie Elayne und Nynaeve - und natürlich Moiraine - gehörte sie zu jenen wenigen Frauen, denen man nicht nur den Gebrauch der Macht beibringen konnte, sondern die mit dieser Fähigkeit geboren waren und irgendwann die Wahre Quelle berührten, selbst wenn sie gar nicht wußten, was sie taten. Moiraine hatte das Gesicht nicht verzogen und wirkte ganz ruhig, doch in ihren Augen las Egwene die Bestätigung ihrer eigenen Gedanken. Die Aes Sedai mußte das vom ersten Moment an gewußt haben, als sie die Aielfrau kennengelernt hatte. Egwene erkannte, daß sie die gleiche Verbundenheit auch Amys und Melaine gegenüber empfinden konnte. Aber nicht bei Bair oder Seana. Nur die ersteren konnten die Macht gebrauchen, da war sie sich sicher. Und nun konnte sie bei Moiraine dasselbe spüren. Es war das erstemal, daß sie Derartiges empfand; die Aes Sedai war eine Frau, die immer für sich blieb.
    Einige der Weisen Frauen allerdings lasen offensichtlich mehr aus der Miene Moiraines heraus. »Ihr wollt sie zu Eurer Weißen Burg bringen«, sagte Bair, »um aus ihr eine von Euch zu machen. Doch sie ist eine Aiel, Aes Sedai.« »Sie kann sehr stark werden, wenn man sie richtig unterweist«, antwortete Moiraine. »Genauso stark, wie Egwene einst sein wird. In der Burg kann man sie so weit bringen.« »Wir können sie genausogut unterrichten, Aes Sedai.« Melaines Stimme klang einigermaßen verbindlich, aber in dem steten Blick aus ihren grünen Augen lag ein Hauch von Verachtung. »Besser sogar. Ich habe mich schon mit Aes Sedai unterhalten. Ihr verwöhnt die Frauen in der Burg. Das Dreifache Land ist kein Ort, um jemanden zu verwöhnen. Aviendha wird wissen, was sie mit ihren Kräften anfangen kann, wenn sie bei Euch noch Kinderspiele erlernen würde.« Egwene warf Aviendha einen besorgten Blick zu. Die andere junge Frau blickte bedrückt zu Boden. Ihr Trotz schien verflogen. Falls sie den Unterricht in der Burg schon für Verwöhnen hielten... Sie hatte als Novizin härter arbeiten müssen und war strenger behandelt worden als je zuvor in ihrem Leben. Sie empfand eine Menge Sympathie für die Aielfrau.
    Amys streckte die Hände aus, und Aviendha legte ihr zögernd die Speere und den Schild hinein. Sie zuckte zusammen, als die Weise Frau krachend ihre Bewaffnung zur Seite warf. Langsam zog sie sich den in seiner Hülle steckenden Bogen über den Kopf und übergab ihn. Dann schnallte sie den Gürtel ab, an dem der Köcher und ihr Messer hingen. Amys nahm alles entgegen und warf es wie Abfall zur Seite. Jedesmal zuckte Aviendha zusammen. In einem Winkel ihrer blaugrünen Augen schimmerte eine Träne.
    »Müßt Ihr sie so grob behandeln?« brach es zornig aus Egwene heraus. Amys und die anderen sahen sie ausdruckslos an, doch sie ließ sich nicht einschüchtern. »Ihr behandelt Dinge, die für sie etwas bedeuten, als wären sie Schrott.« »Sie muß lernen, solche Dinge als Schrott zu sehen«, sagte Seana. »Wenn sie zurückkehrt - falls sie zurückkehrt -, wird sie alles verbrennen und die Asche in den Wind streuen. Das Metall wird sie dem Schmied übergeben, um daraus einfache Dinge zu fertigen. Keine Waffen. Nicht einmal ein Brotmesser. Gürtelschnallen oder Kochtöpfe oder Puzzles für Kinder. Diese Dinge wird sie hinterher mit eigenen Händen verteilen.« »Das Dreifache Land ist kein weiches, Aes Sedai«, sagte Bair. »Weiche Dinge sterben hier.« »Dein Cadin'sor, Aviendha.« Amys deutete auf die weggeworfenen Waffen. »Deine neue Kleidung wird dich bei deiner Rückkehr erwarten.« Mit mechanischen Bewegungen zog sich Aviendha aus und warf Mantel und Hosen, Stiefel und alles andere auf einen Haufen zu den Waffen. Nackt stand sie da und rührte sich nicht. Nur Egwene glaubte, ihre Füße hätten trotz der Stiefel schon Brandblasen aufzuweisen. Sie erinnerte sich daran, wie sie zugesehen hatte, als man ihre Kleider verbrannt hatte, die sie auf dem Weg zur Weißen Burg getragen hatte. Auch damals hatte man das Band zerschnitten, das sie an ihr früheres Leben gebunden hatte, aber es war nicht so schlimm gewesen wie hier. Nicht so kraß.
    Als Aviendha auch noch den Sack und die Wandbehänge

Weitere Kostenlose Bücher