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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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gewöhnlich in Begleitung einer Aes Sedai durch die Kurzen Wege. Doch heute abend würde er nach M'jinn fliegen. Heute feierte er seinen fünfundzwanzigsten Namenstag, und an diesem Tag wollte er Nallas neuesten Heiratsantrag endlich annehmen. Er fragte sich, ob sie wohl überrascht sei. Er hatte sie ein Jahr lang vertröstet, weil er sich nicht niederlassen wollte. Ihre Heirat würde bedeuten, daß er zu Zorelle Sedai wechseln müßte, der auch Nalla diente, aber Mierin Sedai hatte schließlich ihre Einwilligung gegeben.
    Er kam um eine Ecke und sah gerade noch den dunklen, breitschultrigen Mann mit dem modischen Spitzbart, doch es war schon zu spät. Die Schulter des Mannes traf ihn voll, er stürzte hart zu Boden, fiel auf den Rücken, und sein Kopf knallte auf das Pflaster des Gehwegs, so daß er nur noch Sterne sah. Betäubt lag er da.
    »Paßt nächstens besser auf!« fuhr ihn der Bärtige an. Dann zog er das ärmellose Wams zurecht und schlenkerte die Spitzenmanschetten in die richtige Lage. Sein schwarzes Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel, war hinten zusammengebunden. Auch das war gerade groß in Mode. So imitierte man im Grunde die Aiel, auch wenn man nicht auf den Pakt eingeschworen war.
    Die blonde Frau an seiner Seite legte ihm eine Hand auf den Arm. Ihr Kleid aus weißem Tüll schien durch ihre Verlegenheit irgendwie noch durchscheinender zu werden. »Jom, sieh mal sein Haar an. Er ist ein Aiel, Jom.« Charn faßte nach seinem Kopf, um festzustellen, ob er eine Platzwunde habe. Die Finger fuhren durch das kurzgeschnittene rotgoldene Haar. Er zupfte an dem Pferdeschwanz in seinem Nacken. Alles in Ordnung. Eine Schwellung, sonst nichts, dachte er.
    »Tatsächlich.« Der Ärger des Mannes machte Zerknirschtheit Platz. »Vergebt mir, Da'schain. Ich sollte besser aufpassen, nicht Ihr. Laßt mich Euch aufhelfen.« Er hatte sich schnell auf die neue Situation eingestellt und half nun Charn, auf die Beine zu kommen. »Geht es Euch gut? Laßt mich einen Springer rufen, der Euch an Euer Ziel bringt.« »Ich bin unverletzt, Bürger«, sagte Charn sanftmütig. »Es war auch wirklich mein eigener Fehler.« Das stimmte; er hätte nicht so hetzen müssen. Dem Manne hätte glatt etwas passieren können. »Habe ich Euch weh getan? Bitte, vergebt mir.« Der Mann öffnete den Mund und wollte protestieren. Das taten die Bürger immer. Sie glaubten wohl, die Aiel bestünden aus Glas. Doch bevor der Mann ein Wort herausbringen konnte, bebte der Boden unter ihren Füßen. Auch die Luft war plötzlich in Bewegung, schwappte in Wellen über sie. Der Mann sah sich nervös um und zog seinen modischen Tarnumhang enger um sich und seine Begleiterin zusammen, so daß ihre Köpfe körperlos über der Straße zu schweben schienen. »Was war das, Da'schain?« Andere, denen Charns Haar ebenfalls aufgefallen war, versammelten sich nun um sie und stellten ängstlich die gleichen Fragen, doch er beachtete sie nicht. Er dachte gar nicht daran, daß er sich unhöflich ihnen gegenüber verhielt. Er schob sich einfach zwischen den Menschen durch, den Blick auf die Scharom gerichtet: die weiße Kugel, tausend Fuß im Durchmesser, die ebenso hoch über den blauen und silbernen Kuppeln des Collam Daan schwebte.
    Mierin hatte gesagt, daß heute der große Tag sei. Sie meinte, sie habe eine neue Quelle der Einen Macht entdeckt. Mit ihrer Hilfe könnten weibliche und männliche Aes Sedai die gleiche Quelle benützen und nicht, wie bisher, voneinander getrennte Hälften. Ohne diese Trennung könnten Männer und Frauen gemeinsam noch viel Größeres vollbringen. Und heute wollte sie zusammen mit Beidomon zum erstenmal diese Kraftquelle anzapfen. Zum letztenmal mußten Männer und Frauen verschiedene Hälften der Wahren Quelle benützen, um sich eine neue zu erschließen. Heute.
    Etwas, das wie ein kleiner, weißer Splitter wirkte, wirbelte auf einem Strahl schwarzen Feuers von der Scharom weg und senkte sich täuschend langsam und wie zufällig herab. Dann schossen mit einemmal hundert schwarze Feuerstrahlen aus der riesigen, weißen Kugel. Die Scharom brach wie ein Ei auseinander und begann, in einem obsidianschwarzen Inferno herabzufallen. Dunkelheit breitete sich über den Himmel. Die unnatürliche Nacht verschlang die Sonne. Es war, als sei die Schwärze der Lichtschein dieser Flammen. Überall schrien die Menschen voller Angst auf.
    Beim ersten Feuerstrahl bereits rannte Charn los in Richtung Collam Daan, aber es war ihm klar, daß er zu

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