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Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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Wo war Egwene? Es sah dem Mädchen ähnlich, sie hier warten zu lassen. So düster und trüb beleuchtet hier. Und wenn nun etwas auf sie lauerte, bereit, jeden Augenblick herauszuspringen...
    »Das ist aber ein seltsames Kleid, Nynaeve.« Sie konnte gerade noch einen Aufschrei unterdrücken und fuhr mit wild klopfendem Herzen und einem metallischen Scheppern herum. Egwene stand auf der anderen Seite Callandors mit zwei Frauen in bauschigen Röcken, die über den weißen Blusen dunkle Schals trugen. Die weißen Haare hatten sie jeweils mit einem anderen Schal eingebunden, und die Schalenden hingen ihnen bis zur Hüfte herunter. Nynaeve schluckte erst einmal, hoffte, daß die anderen es nicht bemerkten, und bemühte sich, wieder normal zu atmen. Sich so heranzuschleichen!
    Eine der Aielfrauen erkannte sie aus Egwenes Beschreibung: Amys' Gesicht war viel zu jung für dieses weiße Haar, aber anscheinend war es schon seit ihrer Kindheit beinahe silbern gewesen. Die andere war schlank, fast knochig, und hatte blaßblaue Augen in einem ledernen, runzligen Gesicht. Das mußte Bair sein. Die härtere der beiden, fand Nynaeve nun, da sie die beiden vor sich hatte, aber nicht, daß Amys... Was? Ein seltsames Kleid? Ich habe dieses Geräusch gemacht?
    Sie blickte an sich herunter und schnappte nach Luft. Ihr Kleid sah entfernt aus wie eines von den zwei Flüssen, aber die Frauen dort trugen keine Kleider aus Stahlplättchen mit größeren Platten dazwischen, die zu einer Rüstung gehören mochten. Solche Rüstungen hatte sie in Schienar gesehen. Wie konnten Männer in so etwas herumlaufen und auf Pferde steigen? Das Ganze lag schwer auf ihren Schultern, als wöge es hundert Pfund. Ihr kräftiger Stock bestand jetzt aus Metall und wies an einem Ende Stacheln auf, wie eine stahlglänzende Distel. Ohne ihren Kopf berühren zu müssen, wußte sie, daß sie eine Art Helm trug. Sie errötete heftig und konzentrierte sich, damit sie ihre Kleidung schnell zu einem guten Wollkleid von den Zwei Flüssen ändern konnte. Dazu trug sie nun einen Wanderstock. Es war ein schönes Gefühl, ihr Haar wieder zu einem dicken Zopf geflochten zu tragen, der ihr über eine Schulter herunterhing.
    »Unkontrollierte Gedanken haben manchmal unangenehme Folgen, wenn man im Traum wandelt«, sagte Bair mit dünner, aber zugleich kräftiger Stimme. »Ihr müßt lernen, sie zu beherrschen, wenn Ihr damit weitermachen wollt.« »Ich kann meine Gedanken ganz gut beherrschen, danke«, sagte Nynaeve knapp. »Ich... « Bairs Stimme war nicht das einzige, was ihr dünn vorkam. Die beiden Weisen Frauen schienen... beinahe verschwommen, und Egwene in ihrem hellblauen Reitkleid war fast durchscheinend. »Was ist los mit Euch? Warum seht Ihr so eigenartig aus?« »Versuch du mal, nach Tel'aran'rhiod zu kommen, wenn du im Halbschlaf auf einem Pferd hockst«, sagte Egwene trocken. Sie schien zu flackern. »Es ist Morgen im Dreifachen Land und wir sind unterwegs. Ich mußte Amys schon überreden, damit sie mich überhaupt gehen ließ, aber ich fürchtete, du würdest dir Sorgen machen.« »Es ist schon ohne ein Pferd schwierig genug«, sagte Amys, »halb zu schlafen, wenn man doch eigentlich wachen möchte. Egwene hat es noch nicht richtig gelernt.« »Das werde ich schon noch«, sagte Egwene nervös, doch entschlossen. Sie war wie immer zu forsch und stur, wenn es darum ging, etwas zu lernen. Wenn diese Weisen Frauen sie nicht an der kurzen Leine hielten, würde sie sich mit einiger Sicherheit noch in alle nur erdenklichen Schwierigkeiten bringen.
    Nynaeve vergaß, sich weiter um Egwene und ihr Ungestüm Sorgen zu machen, als die jüngere Frau begann, von dem Angriff der Trollocs und Draghkar auf die Kaltfelsenfestung zu erzählen. Seana, eine Weise Frau und Traumgängerin, befand sich unter den Toten. Rand eilte mit den Taardad Aiel nach diesem Alcair Dal, wobei er offensichtlich mit allen Bräuchen der Aiel brach. Er hatte Läufer ausgesandt, um weitere Septimen dorthin zu holen. Der Junge vertraute seine Absichten niemandem an, die Aiel waren übernervös, und Moiraine kaute an den Fingernägeln vor Frust. Das allein hätte sie schon diebisch gefreut, denn auf irgendeine Weise wollte sie ja dem Einfluß dieser Frau endlich entfliehen, aber so besorgt, wie Egwene war...
    »Ich weiß nicht, ob es der beginnende Wahnsinn ist oder pure Absicht«, schloß Egwene. »Wenn ich sicher wäre, könnte ich wohl beides ertragen. Nynaeve, ich gebe zu, im Augenblick ist es nicht

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