Der Schatten im Norden
Ihr Leibwächter. Wenn der
Typ Sie mit einem Schwert aufspießen will, pfeife ich
vor mich hin und schaue aus dem Fenster. Von
Schlägereien habe ich genug. «
Dabei rieb er sich die Nase, die ihm bei einem Kampf
auf Leben und Tod gebrochen worden war. Das war vor
sechs Jahren an einer einsamen Kaianlage gewesen. »Sie
kommen also?«, fragte Mackinnon.
»Ja. Aber Sie müssen mir schon sagen, was ich machen
soll. Soll ich als Ihr Gehilfe auftreten?«
Mackinnons Miene verriet mehr als Worte, was er von
dieser Vorstellung hielt. Stattdessen holte er eine
Einladungskarte hervor. »Zeigen Sie das an der Tür und
zahlen Sie Ihre fünf Guinee Eintritt, dann können Sie mit
den Gästen hereinkommen«, sagte er. »Im Abendanzug,
versteht sich. Schauen Sie sich einfach um, beobachten
Sie die anderen Gäste, und suchen Sie sich einen Platz,
wo ich sie gut sehen kann. Mir wird schon etwas
einfallen, um Ihnen zu zeigen, wer er ist --- sofern er
überhaupt da ist. Ich weiß nicht, ob er kommt. Wenn Sie
ihn sehen, versuchen Sie herauszufinden, wer er ist ---
Sie wissen ja, wie man so etwas macht. « »Scheint eine
von den leichteren Übungen zu sein«, meinte Frederick.
»Nur eines stört mich noch. Es sollten nicht meine,
sondern Ihre fünf Guineen sein, die ich als Eintritt zahle.
«
»Selbstverständlich«, entgegnete Mackinnon
ungeduldig. »So habe ich es auch gemeint. Sie werden
also da sein. Ich verlasse mich auf Sie. «
Wer zu einer Porträtaufnahme in die Burton Street kam,
wurde dort in den meisten Fällen von einem
dunkelhaarigen, kräftigen jungen Mann namens Charles
Bertram bedient, auf den Webster Garland große Stücke
hielt. Er war geschickt und erfindungsreich, und seine
Porträts wirkten wie aus dem Leben gegriffen. Charles
Bertram hatte allen Grund, wie auch Sally, den lässigen
demokratischen Lebensstil der Garlands hoch zu
schätzen, denn sein Vater war ein Graf, und er selbst
hatte Anrecht auf den Titel eines Ehrenwerten. Er wäre
wohl ein aristokratischer Fotoamateur geblieben, wenn er
nicht Websters Bekanntschaft gemacht hätte. In der
Gesellschaft von Künstlern und Technikern zählte nur
das Können, und davon besaß Charles Bertram eine
ganze Menge. So erhielt er seinen Platz im Geschäft ---
zusammen mit Jim, dem Bühnenarbeiter, Frederick, dem
Detektiv, Webster, dem genialen Fotografen, und,
gastspielweise, Sally, der Finanzberaterin.
Er machte nicht einfach eine Ausbildung zum
gewerbsmäßigen Fotografen. Porträtaufnahmen für zwei
Shilling und sechs Pence zu machen war nicht besonders
erstrebenswert für ihn. Er und Webster hatten sich ein
sehr viel ehrgeizigeres Ziel gesetzt: Sie wollten die
Bewegung selbst auf die fotografische Platte bannen. Er
hatte eigenes Kapital in die Firma eingebracht, um ein
größeres Atelier im Hof hinter dem Laden zu bauen, für
den Zeitpunkt, da sie für ihre Experimente mehr Platz
brauchen würden. Bis dahin half er im Laden und war
sich für alle anfallenden Arbeiten nicht zu schade --- so
war er an diesem Morgen damit beschäftigt, eine neue
Linse in die große Atelierkamera einzusetzen.
Frederick saß in der Küche und schrieb seine Gedanken
über Mackinnon und Nellie Budd nieder. Er grübelte
darüber nach, ob die beiden Geschichten wirklich
zusammengehörten, wie Jim es vermutete, als Charles
den Kopf durch die Tür steckte und »Fred?«, sagte.
»Hallo Charlie«, rief ihm Frederick munter zu. »Weißt
du etwas über Spiritismus?«
»Damit habe ich Gott sei Dank nichts am Hut. Hör mal,
kannst du mir bei der neuen Voigtländer helfen? Ich
brauche jemanden, der mal kurz posiert... «
»Aber gerne. Und dann kannst du etwas für mich tun«,
entgegnete Frederick. Er stand auf und ging hinüber in
den mit Geräten voll gestopften und mit Vorhängen
drapierten Raum, der ihnen als Atelier diente.
Als Charles fertig war, erklärte ihm Frederick, welche
Aufgabe er am Abend für Mackinnon erledigen sollte.
»Scheint eine heikle Angelegenheit zu sein«, sagte
Charles. »Ich habe ihn selbst vor einer Woche auf der
Bühne gesehen - im Britannia. Jim hatte mir empfohlen
hinzugehen. Schon erstaunlich, was der Mann kann...
Und du sagtest, er werde von jemandem verfolgt?« »Das
behauptet er zumindest. «
»Dann ist Mephistopheles hinter ihm her. Mackinnon
hat ihm seine Seele verkauft und nun kommt der Teufel
und verlangt sie als Lohn für seine Dienste. «
»Das würde mich nicht überraschen. Aber hör mal
Charlie, du kennst doch alle diese Herrschaften -
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