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Der Schatten im Norden

Der Schatten im Norden

Titel: Der Schatten im Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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wir nicht erst einmal von hier oben
runterkommen?«, fragte Mackinnon, ängstlich um sich
blickend. Jim rieb sich das Kinn, dann sagte er: «Am
anderen Ende des Daches ist eine Feuerleiter. Machen
Sie nicht zu viel Lärm, drinnen dreht ein alter Waldschrat
seine Runde und passt auf, dass die eingelegten Pilze
nicht weglaufen. «
Er lief die schräge Seite des ersten Dachabschnitts
hinauf und ließ sich vorsichtig auf den nächsten fallen.
Jede Schräge war rund zwei Meter hoch und rutschig
vom Regen; Mackinnon stürzte zweimal, ehe sie die
Feuerleiter erreichten.
Warum mache ich das eigentlich?, dachte Jim, während
er dem Mann aufhalf. Dabei wunderte er sich, wie zart
gebaut Mackinnon war. Er hatte das Gewicht eines
Kindes. Doch es ging um Mord. Mackinnon hatte Angst,
und nicht nur vor Höhen.
Die Feuerleiter war eine schlanke Eisenkonstruktion,
die mit Bolzen in der Mauer befestigt war. Der Hof, in
den sie führte, war zum Glück dunkel, und auf dieser
Seite des Fabrikgebäudes schien alles ruhig. Völlig
verängstigt, schwitzend und zitternd ließ sich Mackinnon
langsam über die Kante des Dachs gleiten, fand die erste
Sprosse der Leiter und stieg dann rückwärts mit
festgeschlossenen Augen nach unten. Jim war schon vor
ihm dort und fasste ihn am Arm.
»Ich brauche einen Whisky«, brachte Mackinnon
mühsam heraus. »Durchhalten, Sir«, ermahnte ihn Jim.
»In diesem Aufzug können Sie in keine Kneipe gehn Sie würden sofort wieder rausfliegen. Wo wohnen Sie
eigentlich?« »Chelsea, Oakley Street. « »Haben Sie Geld
bei sich?« »Keinen Pfennig, leider... «
»Macht nichts, kommen Sie mit mir. Ich bringe Sie an
einen Ort, wo Sie andere Kleider und einen Schluck zu
trinken bekommen können --- und dann reden wir über
diese Mordgeschichte. Das klingt ja heiter. «
Mackinnon, den alle Willenskraft verlassen hatte und
der sich über nichts mehr wunderte, ließ zu, dass ihn der
junge Bühnenarbeiter mit den grünen Augen und der
groben Arbeitskleidung bis zur Straße führte, in eine
Droschke verfrachtete und dem Kutscher in bestimmtem
Ton eine Adresse im Stadtteil Bloomsbury nannte.
DIE FOTOGRAFEN
    Jim bezahlte die Droschke in der Burton Street, einer
ruhigen Straße mit dreistöckigen Wohnhäusern und
Läden in der Nähe des Britischen Museums. Dann
öffnete er, während Mackinnon nervös um sich schaute,
die Tür eines schmucken Wohn- und Geschäftshauses
mit doppelter Fassade, über dem in großen Lettern
GARLAND & LOCKHART, FOTOGRAFEN
geschrieben stand. Er führte Mackinnon durch den
dunklen Ladenraum in ein warmes, hell erleuchtetes
Zimmer.
    Es war eine merkwürdige Mischung aus Labor, Küche
und schäbiggemütlichem Wohnzimmer. An der einen
Wand stand eine mit Chemikalien beladene Bank, in
einer Ecke befand sich ein Spülstein, und ein abgewetzter
Sessel und ein Sofa standen links und rechts von einem
schwarzen gusseisernen Ofen. Im ganzen Zimmer hing
ein wohlig warmer Dunst.
    Der Dunst stammte zum größten Teil aus einer kurzen
Tonpfeife, die einer der beiden Männer im Zimmer
rauchte. Er mochte um die sechzig sein, groß und kräftig
gebaut, mit grauen Borstenhaaren und einem Bart in
derselben Farbe. Er blickte vom Tisch auf, als Jim
eintrat.
    »Guten Abend, Mr. Webster«, grüßte Jim. «Hallo
Fred.« Der andere Mann war erheblich jünger, er war
schlank und mochte Mitte zwanzig sein, ungefähr
Mackinnons Alter. Er hatte eine sardonische Miene, eine
Mischung aus beißendem Humor und kühler
Nachdenklichkeit. Wie bei Mackinnon so zog auch bei
diesem Mann irgendetwas die Aufmerksamkeit an vielleicht lag es an dem wirren blonden Haarschopf oder
dem gebrochenen Nasenbein. »Sei gegrüßt, Fremdling«,
sagte er. »Oh, Entschuldigung, ich habe Sie gar nicht
gesehen... « Damit meinte er Mackinnon, der wie ein
Gespenst in der Tür stand.
    Jim wandte sich ihm zu.
»Mr. Webster Garland und Mr. Fred Garland,
künstlerische Fotografen«, sagte er. »Und das ist Mr.
Mackinnon, der Magier des Nordens. «
    Sie erhoben sich und gaben einander die Hand. Webster
war begeistert, ich habe letzte Woche Ihren Auftritt in
der Alhambra miterlebt - einfach wunderbar! Trinken Sie
einen Whisky mit uns?« Mackinnon setzte sich in den
Sessel, und Jim griff sich einen neben der Bank
stehenden Hocker. Während Webster die Gläser füllte,
erzählte Jim: »Wir mussten uns über das Dach abseilen.
Mr. Mackinnon hatte es rasend eilig, er musste seine
normale Kleidung in der Garderobe lassen, Geld und
alles Übrige natürlich

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