Der Schatten im Norden
vergossenen
Blut. Und das glatte, Macht ausstrahlende Gesicht des
Mannes blickte mich die ganze Zeit über an.
Selbstverständlich ersparte ich meinem Gastgeber einen
Skandal --- meine Vorführung war ein großer Erfolg ---,
ich erhielt viel Beifall, und einige Herren gingen sogar so
weit zu sagen, selbst der große Maskelyne hätte es nicht
besser gemacht. Aber gleich nach dem Schluss der
Vorführung raffte ich meine Sachen zusammen und
verließ eilends das Haus, ohne mich noch unter die Gäste
zu mischen, wie ich es sonst tue. Wie Sie merken, begann
ich ihn schon zu fürchten.
Seitdem lebte ich in der Angst, ihn wieder zu treffen.
Dann, vor nicht langer Zeit, besuchte mich dieser kleine
Herr mit Brille --- Windlesham - und sagte mir, sein Chef
wolle mich sprechen. Ich wusste, wen er meinte, obwohl
er den Namen nicht genannt hatte. Und heute Abend ist
er wieder gekommen, diesmal mit einer Schlägertruppe Jim hat sie ja gesehen. Er sagte, er müsse mich zu seinem
Chef bringen, es gehe darum, eine Frage von
gemeinsamem Interesse zu regeln --- so drückte er sich
aus.
Sie wollen mich umbringen. Sie werden mich holen und
dann umbringen. Das weiß ich ganz genau. Was soll ich
nur machen, Mr. Garland, was soll ich nur machen?«
Frederick kratzte sich am Kopf. »Kennen Sie nicht den
Namen des Mannes?« »An jenem Abend waren viele
Gäste geladen. Vielleicht hat man mir seinen Namen
genannt, aber ich kann mich nicht daran erinnern. Und
Windlesham wird ihn nicht preisgeben. « »Warum
glauben Sie, will man Sie umbringen?« »Heute Abend
sagte mir Windlesham, wenn ich nicht bereit wäre, nach
meinem Auftritt mitzukommen, hätte das ernsthafte
Konsequenzen. Wäre ich ein ganz normaler Bürger,
würde ich untertauchen. Ich könnte zum Beispiel meinen
Namen ändern. Aber ich bin nun einmal Künstler! Ich
muss präsent sein, um meinen Lebensunterhalt zu
verdienen. Wie könnte ich mich da verstecken? Halb
London kennt meinen Namen!«
»Gerade das könnte Ihre Sicherheit garantieren«, gab
Webster Garland zu bedenken. »Wer dieser Mann auch
sein mag, er wird wohl kaum wagen, Sie anzugreifen,
wenn Sie im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen. «
»Nicht dieser Mann. Ich habe noch nie ein Gesicht
gesehen, das so viel Rücksichtslosigkeit ausdrückt.
Außerdem hat er mächtige Freunde --- er ist reich und
verfügt über beste Beziehungen --- und ich bin nur ein
Zauberkünstler. Oh, was soll ich bloß machen?« Jim lag
ein Vorschlag auf der Zunge, doch er verkniff es sich,
stand auf und verließ das Zimmer, um frische Luft zu
schnappen. Er fand es immer schwieriger, seinen Unmut
über diesen Mann zu unterdrücken. Es war schwer zu
sagen warum, aber selten hatte er einen Menschen
getroffen, den er so wenig ausstehen konnte wie
Mackinnon.
Draußen setzte er sich in den Hof und warf kleine
Kieselsteine durch die leeren Fensteröffnungen des neuen
Ateliers, das sich Webster bauen ließ. Dann hörte er, wie
eine Droschke vor die Eingangstür gerufen wurde. Als er
sicher war, Mackinnon nicht mehr anzutreffen, ging er
wieder ins Haus zurück. Webster war gerade dabei, sich
mit einem Fidibus eine neue Pfeife anzustecken, während
Frederick den Magnesiumdraht der Lampe zurückdrehte.
Frederick blickte auf und sagte: »Der junge Mann hat
Geheimnisse. Warum hast du dich plötzlich
verdünnisiert, Jim?« Jim warf sich in den Sessel. »Er
ging mir entschieden auf die Nerven, frag mich nicht
warum. Hätte ich ihn doch bloß in der Patsche sitzen
lassen, statt meinen Hals dabei zu riskieren, ihn über die
Dächer zu schleifen. >Ich vertrage die Höhe nicht! Oh
lassen Sie mich runter, lassen Sie mich runter!< Und
dann seine eingebildete Art --- >Ich mache es als Gast,
nicht als Mietkünstler... <, dieser bibbernde Gernegroß!
Du hast ihn nicht genommen, Fred, oder? Als Klienten
meine ich. «
»Er wollte ja gar nichts von uns. Was er sucht, ist
Personenschutz, nicht detektivische Auskunft. Ich habe
ihm gesagt, dass wir so etwas nicht machen. Aber ich
habe mir seine Adresse geben lassen und ihm
versprochen, dass wir für ihn die Augen offen halten. Ich
weiß aber nicht, was wir in diesem Stadium für ihn tun
könnten. « »Den müssen wir loswerden«, sagte Jim. »Sag
ihm, er soll sich mal am Riemen reißen. «
»Wieso denn? Er sagt die Wahrheit, seine Geschichte ist
interessant, und selbst wenn er lügen sollte, macht es das
Ganze nur noch interessanter. Du glaubst also, er lügt?«
»Was denn sonst«, sagte Jim. »Der Kerl will uns
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