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Der Schatten im Wasser

Der Schatten im Wasser

Titel: Der Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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zurück in den Sessel.
    »Als ich das letzte Mal bei dir war«, begann er heiser. »Als du gerade von dieser Reise, auf der du ihn im Stich gelassen hast, nach Hause gekommen warst.«
    »Ich habe ihn nicht im Stich gelassen.«
    »Als du gerade von dieser Reise, auf der du ihn im Stich gelassen hast, nach Hause gekommen warst.«
    Sie nickte.
    »Erinnerst du dich daran, was du damals gesagt hast?«
    »Was hab ich da gesagt?«
    »Du hast gesagt, dass du niemals jemanden so geliebt hast, wie du Nathan liebtest.«
    »Ich weiß.«
    »Und jetzt hast du einen anderen Kerl.«
    »Was … was meinst du damit?«
    »Ich habe euch gesehen. Er wohnt in deinem Haus.«
    Der Schreck ließ ihr Herz laut hämmern.
    »Du hast Nathan nämlich gleich zweimal im Stich gelassen, du geile Hure. Du hast ihn vergessen und dir einen anderen angelacht.«
    »Ich habe ihn nicht vergessen. Aber das Leben muss doch irgendwie weitergehen!«
    Er stand im Raum und lachte schallend.
    »Das glauben aber auch nur Sie, Mrs. Tucker.«

DER STURM NAHM ZU. Er zog über die Wälder hinweg und hinterließ abgeknickte Bäume und klaffende Erdlöcher von entwurzelten Bäumen. In den Städten riss er Baugerüste um und deckte Dächer ab. Er fuhr durch die Baumkronen, riss Mengen von Blättern los und wirbelte sie umher. Wahllos ließ er Äste auf Stromleitungen stürzen, sodass in vielen Haushalten der Strom ausfiel. Er kappte eine Linde, deren Stamm das Dach eines Personenwagens eindrückte. Der Fahrer des Fahrzeugs kam um.
    Entlang der Küste wurden Warnungen ausgegeben, und viele Schiffe gerieten in Seenot. Auf den Seen bildeten sich hohe Wellen, die vom vielen Morast und Schlamm braun gefärbt waren. Über zwanzig kleine Boote, die noch nicht winterfest gemacht worden waren, wurden aus ihren Vertäuungen gerissen und zerschellten an den Ufern. Selbst Bootsstege brachen entzwei oder wurden stark beschädigt. Der Sturm durchpflügte das Wasser regelrecht, sodass sogar der Grund aufgewühlt wurde, größere Steine verschoben wurden und die Rillen im Sand ihre Form änderten.
     
    Es war ein entsetzlicher und gewaltiger Sturm, stark wie im Eismeer und mit einem bitteren Beigeschmack. Er tobte mehrere Tage und Nächte.
    In der Dämmerung des letzten Tages tauchte sie aus der Tiefe auf. Doch ganz und gar nicht an derselben Stelle, an der sie gesunken war. Sie war von der Strömung an ein völlig anderes Ufer getrieben worden. Sie, oder das, was noch von ihr übrig war.
    Dass es sich um eine Frau handelte, konnte man nicht mehr erkennen.

MAN ÜBERBRACHTE TOR den Bescheid. Er saß in seinem Bett, als das Telefon klingelte. Er hatte die Beine in einer bestimmten Position unter das Gesäß gezogen, wie er es früher zu tun pflegte, als er jung war. Als er noch zur Schule ging und sich mit den Hausaufgaben abmühte. Geschichte und Matheklausur. Für die Zukunft.
    Er war müde, allerdings auf eine andere Art als zuvor. Eine eher physische Erschöpfung, wie nach zäher, anstrengender körperlicher Arbeit. Er hatte das Bedürfnis zu schlafen. Sich eine Art neuen Rhythmus anzugewöhnen, um zurück ins Leben zu finden.
    Es war jemand von der Polizei.
    »Wir haben die sterblichen Überreste einer Person im Mälarsee gefunden. Sie wurde durch den Sturm an Land gespült, und einiges deutet darauf hin, dass es sich um Ihre verschwundene Ehefrau handeln könnte.«
    Eine Polizistin, sie hieß Mary. Das war ihm aufgefallen. Mary Jonsén. Frauen können besser Bescheide übermitteln. Traurige und schmerzhafte Bescheide. Endgültige Bescheide, die überbracht werden müssen.
    Die sterblichen Überreste einer Person. Ein merkwürdiger und makaberer Ausdruck. Das hatte nichts mehr mit dem Leben zu tun. Es handelte sich um einen altschwedischen Ausdruck für einen Rest, ein Überbleibsel.
    »Was deutet darauf hin?«, hörte er sich fragen, während sich der Geschmack nach Metall in seinem Gaumen ausbreitete.
    »Tja … unter anderem die Zähne. Ihre auseinander stehenden Schneidezähne. Aber das müssen wir noch überprüfen.«
    »Wo haben Sie sie gefunden?«
    »In Hässelby villastad. Direkt hinter dem Lövstabad, wenn Sie wissen, wo das liegt.«
    »Ja.«
    »Wir müssen natürlich erst die Gutachten sowohl vom Rechtsmediziner als auch vom Zahnarzt abwarten. Aber einiges deutet, wie gesagt, darauf hin, dass es sich um Berit handelt. Das wollte ich Ihnen nur mitteilen.«
    »Wer hat sie gefunden?« Plötzlich wollte er alles wissen, alle Details bezüglich der Uhrzeiten und beteiligten

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