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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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sich. »Ich bin bereit, es darauf ankommen zu lassen«, erklärte er steif, während die Sturmfront hinter ihm zu immer riesenhafterer Größe anwuchs. Jetzt konnte man erkennen, dass die riesige Wand in Wahrheit eine ungeheure Walze war, die mit atemberaubender Geschwindigkeit über die Wüste rollte und die Senke schon bald erreichen würde.
    Sarah kniff die Lippen zusammen. Natürlich bestand die Möglichkeit, sich im Wüstensand einzugraben und darauf zu hoffen, dass die Gewalt des Sturmes sie verschonte; auch die Beduinen pflegten so zu verfahren, allerdings nur dann, wenn sie keine andere Möglichkeit hatten und der Sturm nicht zu stark war. Angesichts jenes Ungeheuers aus Sand und Staub, das sich ihnen näherte, gab Sarah dieser Möglichkeit allerdings keine Aussicht auf Erfolg.
    »Das ist Wahnsinn, Captain«, versuchte sie Hayden noch einmal zu überzeugen. »Selbst wenn sie es schaffen, unter der Plane zu bleiben, wird der Sand sie begraben und sie werden elend ersticken.«
    »I-im Ernst?«, fragte Fox, dessen Züge so bleich geworden waren, dass sie die Farbe des Sandes angenommen hatten.
    »Das Risiko besteht«, räumte Hayden ein, »aber ich schätze es geringer ein als das, auf der Flucht von dem Sturm ereilt zu werden.«
    »Und ich behaupte das Gegenteil«, beharrte Sarah. »Muss ich Sie daran erinnern, Captain, dass ich die Leitung…«
    »Jetzt nicht mehr«, fiel der Offizier ihr ins Wort. »Ich habe mich Ihren Anordnungen gefügt, solange es um die Expedition selbst gegangen ist. Wenn es jedoch um das Überleben meiner Männer geht, treffe ich die Entscheidungen.«
    »So war das nicht vereinbart«, protestierte Sarah.
    »Ich weiß – tut mir leid, Lady Kincaid. Diesmal werden Sie sich meiner Entscheidung fügen müssen.«
    »Aber es ist die falsche Entscheidung, verdammt«, ereiferte sich Sarah. »Sir Jeffrey, sagen Sie diesem sturen Angeber, dass…«
    »Es tut mir leid, Sarah.« Der königliche Berater machte ein verdrießliches Gesicht. »Ich fürchte, wenn es um Fragen des Überlebens geht, vertraue ich Captain Hayden mehr als…«
    »… als meinen weiblichen Instinkten, richtig?« Sarah lachte freudlos.
    »Es ist nichts Persönliches«, beeilte Sir Jeffrey sich zu versichern, »bitte verstehen Sie mich nicht falsch…«
    »Keine Sorge«, beschwichtigte Sarah. »Aber es tut mir leid, ihnen mitteilen zu müssen, dass sich unsere Wege hier trennen, Gentlemen.«
    »S-sie wollen uns verlassen?«
    »Vor allen Dingen will ich diesen Sturm überleben«, stellte Sarah klar. Rasch setzte sie ihre Staubbrille auf und schlug das Ende des Kopftuchs vor Mund und Nase. Und noch ehe Hayden oder irgendjemand sonst etwas dagegen unternehmen konnte, ließ sie die Gerte schnellen, woraufhin ihr Kamel, das ohnehin kaum noch zu halten gewesen war, lospreschte und in gestreckten Galopp verfiel.
    Sarah hörte noch, wie Hull ihr etwas hinterherrief, aber sie wandte sich nicht mehr um. Wasser trat ihr in die Augen, und sie wusste selbst nicht zu sagen, ob es die Frustration über die Dummheit ihrer männlichen Begleiter oder der feine Staub war, den der herannahende Sturm bereits aufzuwirbeln begann und den auch die Brille nicht abzuhalten vermochte.
    Das Kamel rannte, so schnell seine schlanken Beine es trugen, in jenem wankenden, wiegenden Schritt, der den Höckertieren zu eigen ist. Dem Sturm zu entfliehen entsprach dem Instinkt des Tieres, und so brauchte Sarah es nicht erst zur Eile anzutreiben. Als sie über die Schulter zurückblickte, sah sie, dass die Sturmwalze die Senke erreicht hatte. Nun würde es rasch gehen. Sir Jeffrey und die anderen waren bereits zu kleinen Punkten geschrumpft. Sarah konnte nur hoffen, dass sie die Sturheit Haydens nicht mit dem Leben bezahlten.
    Der rotbraune, von den Resten uralter Türme und Mauern durchsetzte Fels der Berge rückte näher, aber er war noch immer ein gutes Stück entfernt. Der hässliche Gedanke, dass Hayden vielleicht Recht gehabt hatte und die Ruinen zu weit entfernt waren, um sie rechtzeitig zu erreichen, schoss Sarah durch den Kopf. Ihr Versuch, den Offizier zur Flucht zu überreden, hatte sie wertvolle Zeit gekostet – Zeit, die sie nun nicht mehr hatte, aber bitter benötigte.
    Das Kamel begann zu keuchen, Schaum stand ihm vor dem Mund. Trotz des Windes, der schlagartig aufkam, war die Luft noch immer heiß und trocken. Ungeachtet des schützenden Tuchs, spürte Sarah knirschenden Sand zwischen den Zähnen.
    »Yalla! Yalla!«, rief sie dem Tier zu und begann

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