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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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sich noch dazu ein Grinsen nicht verkneifen.
    »Nachdem dies geklärt wäre, können wir nun vielleicht zum eigentlichen Grund unseres Treffens kommen«, sagte Sir Jeffrey schließlich. »Ich wäre Ihnen also sehr verbunden, Inspector, wenn Sie Lady Kincaid mit dem Fall vertraut machen würden.«
    »Nun – gut«, erwiderte Quayle pikiert und straffte sich, bemüht, einen letzten Rest von Würde zu bewahren. »Was Sie hier sehen können«, erklärte er überflüssigerweise und wandte sich zu dem Stadtplan um, der an der getäfelten Wand angebracht war, »ist eine Karte des Londoner East Ends mit den Stadtteilen Spitalfields, Whitechapel und Bethnal Green.«
    »Das Armenhaus der Stadt«, stellte Sarah fest. »Die Anzahl der Obdachlosen, Straffälligen, Waisen, Alkoholverfallenen und Prostituierten ist dort höher als in jedem anderen Viertel, nicht wahr?«
    Quayle und auch Sir Jeffrey schauten zuerst Sarah, dann Mortimer Laydon fragend an, der nur die Schultern zuckte.
    »Es gibt keine Prostitution in London«, erklärte der Inspector schließlich kategorisch. »Alles andere mag wohl zutreffen – ja. Whitechapel und Spitalfields sind in der Tat die Problemzonen dieser Stadt, was allerdings nicht den Autoritäten anzulasten ist.«
    »Kaum.« Sarah schüttelte den Kopf. »Denn jeder tut ja nur seine Pflicht für Königin und Vaterland. Richtig, Inspector?«
    »Richtig«, stimmte Quayle zu. Wenn er den Sarkasmus in ihren Worten bemerkt hatte, so zeigte er es nicht, sondern wandte sich erneut der Karte zu, auf der zwei Stellen mit roter Farbe markiert waren. »Bedauerlicherweise sind Trunkenbolde und Bettler nicht die einzigen, die Whitechapel zu einer wenig erbaulichen Gegend machen – seit einigen Wochen treibt dort auch ein sehr gerissener Mörder sein Unwesen.«
    »Ein Mörder?« Sarah hob die Brauen.
    »Allerdings. Am 14. Oktober schlug er zum ersten Mal zu, hier in der Davenant Street, östlich des Spitalfields Market. Bereits sechs Tage später suchte er sich ein neues Opfer, nur wenige Straßenzüge entfernt in der Hopetown Street. Die Opfer waren in beiden Fällen Frauen, die einer – wie soll ich es nennen? – verbotenen Tätigkeit nachgingen.«
    »Natürlich.« Sarah nickte. »Wie gut, dass es in London keine Prostituierten gibt, nicht wahr, Inspector?«
    Quayle erwiderte nichts darauf – er schien für sich zu dem Schluss gekommen zu sein, dass es im Augenblick am besten war, peinliche Situationen mit unbewegt stoischer Miene durchzustehen. »Die Art der Morde«, fuhr er stattdessen mit betont sachlicher Stimme fort, »lässt keinen Zweifel daran, dass es sich in beiden Fällen um denselben Täter gehandelt hat. Leider ist es uns jedoch trotz aller Bemühungen bislang nicht gelungen, ihn zu fassen.«
    »Ich verstehe«, erwiderte Sarah, »und das alles ist wirklich sehr bedauerlich. Nur verstehe ich nicht, was das mit mir zu tun haben soll. Wie Dr. Laydon Ihnen sicher gesagt hat, bin ich Archäologin und in der Kriminalistik in keiner Weise bewandert.«
    Quayle schnaubte und sandte den beiden älteren Männern einen Blick, der wohl bedeuten sollte, dass er sich in seinen Einwänden bestätigt sah. Sir Jeffrey jedoch ließ sich nicht beeindrucken.
    »Zeigen Sie ihr das Bild, Inspector«, verlangte er.
    Ein wenig widerwillig zog Quayle eine der Schubladen seines Schreibtischs auf und beförderte eine Mappe zutage, der er eine Photographie entnahm. »Diese Aufnahme«, sagte er, während er Sarah das Bild aushändigte, »wurde am Tatort des ersten Opfers gemacht.«
    Sarah nahm die Photographie entgegen. Es war die reichlich verschwommene Aufnahme eines Zeichens, das mit ungelenker Hand an eine Backsteinmauer geschmiert worden war und mit etwas Phantasie einen stilisierten Vogel mit gekrümmtem Hals erkennen ließ. Die verwendete Farbe war dünnflüssig gewesen, sodass sie an vielen Stellen zerlaufen war. Dennoch war deutlich zu erkennen, was der Urheber der Abbildung hatte darstellen wollen.
    »Dies ist eine ägyptische Hieroglyphe, das Ibis-Zeichen«, stellte Sarah verwundert fest. »Das Zeichen für die altägyptische Gottheit Thot.«
    »Dieses Zeichen«, erwiderte Sir Jeffrey, »wurde vom Täter selbst an die Wand geschmiert. Verstehen Sie jetzt, weshalb wir Ihre Hilfe brauchen, Lady Kincaid?«
    »Nun – offensichtlich haben Sie einen Mörder in der Stadt, der in altägyptischer Schriftkunst bewandert ist. Das ist zumindest sehr bemerkenswert – ob es allerdings den Einsatz einer Archäologin

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