Der Schatten von Thot
Statue, deren Höhe an die drei Mannslängen betragen mochte, befand sich ein ebenfalls aus Stein gehauener Opfertisch, auf dem eine aufgeschlagene Schriftrolle lag.
Das Buch von Thot!
Neugierig traten Sarah und ihre Begleiter darauf zu – um verblüfft festzustellen, dass der Papyrus unbeschrieben war.
»W-was hat das zu bedeuten?«, fragte Laydon verblüfft.
»Ich weiß es nicht«, gab Sarah zu.
»Soll dies das Buch sein, von dem in den Inschriften die Rede ist? Das Buch der Geheimnisse?«
»Ich nehme es an.«
»Warum steht dann nichts darin geschrieben?«
»Wie ich schon sagte: Ich weiß es nicht.«
»Und wo ist das Feuer des Re?« Der Doktor stieß eine Reihe unsittlicher Verwünschungen aus. »Verdammt!«, schrie er, dass es dutzendfach von den Wänden widerhallte. »Habe ich all diese Strapazen auf mich genommen nur wegen eines leeren Fetzens Papier? Soll das der Dank für all meine Mühen sein?« Seine Stimme überschlug sich, und ein irrsinniges Lachen entrang sich seiner Kehle, während er sich gehetzt in der Kammer umblickte.
»Durchaus nicht«, sagte Sarah ruhig, der in diesem Moment klar wurde, dass die Kammer in Wirklichkeit sehr viel größer war, als der erste Eindruck vermittelte. Das Echo, das Laydons Tiraden gefolgt war, ließ sie nach oben blicken.
Es war überwältigend.
Die Kammer besaß keine Decke; vielmehr setzten sich die Wände des fünfeckigen Raumes nach oben fort und bildeten einen Schacht, von dem der Raum mit den Schriftrollen und der Statue lediglich den Boden darstellte. Wie hoch es hinaufging, vermochte Sarah nicht zu beurteilen, denn das Licht der Fackeln reichte nicht bis zur Decke; aber es war deutlich zu erkennen, dass die Wände des Schachts mit etwas beschlagen waren – nämlich mit runden Schilden aus poliertem Metall, die leicht konkav geformt waren. Sarah nahm an, dass es Umlenkspiegel waren, von der Art, wie sie in alter Zeit benutzt worden waren, um unterirdische Räume zu beleuchten. Allerdings hatte Sarah noch niemals zuvor so viele und so große Spiegel gesehen. Jeder von ihnen maß gut und gerne fünf Fuß im Radius.
»Teufel«, stieß Laydon hervor, als auch er nach oben blickte. »Was ist das?«
»Ich weiß es nicht«, flüsterte Sarah, die der Faszination des Augenblicks erlag. »Etwas Vergleichbares habe ich noch nie gesehen.«
»Könnte es sich dabei um das Feuer des Re handeln?«
»Es wäre möglich«, räumte Sarah ein. »Wir sollten uns einige der Schriftrollen ansehen, vielleicht finden wir dort Hinweise über…«
Sie wollte einen Schritt in Richtung der löchrigen Wände tun, aber sofort richteten Laydon und seine Schergen ihre Waffen auf sie.
»Halt!«, fuhr der Doktor sie an. »Das könnte dir so passen, was? Glaubst du, ich wüsste nicht, was du vorhast?«
»Wovon sprichst du?«
»Ich habe nicht vergessen, was du in der Hütte gesagt hast, Sarah. Dass du versprochen hättest, das Feuer des Re zu vernichten, und dass du alles daran setzen würdest, dass es nicht in falsche Hände gerät. Glaubst du im Ernst, ich würde dir gestatten, dich hier frei zu bewegen?«
»Aber ich möchte nur…«
Weiter kam Sarah nicht, denn in diesem Moment war ein markiges Knirschen zu vernehmen, das von den Schachtwänden widerhallte und aus der tiefsten Dunkelheit zu kommen schien – einer Dunkelheit, die plötzlich blendender Helligkeit wich.
Unvermittelt bildete sich hoch über ihren Köpfen ein gleißender Spalt, der sich verbreiterte und helles Licht einließ – und Sarah begriff, dass der Deckel des Schachtes die Plattform des Turmes war, der die Geisterstadt weithin sichtbar überragte und genau wie die Kammer fünfeckige Form besaß…
Kaum hatte sich das obere Ende des Schachtes geteilt, stach das grelle Licht der Sonne herab, die unmittelbar über dem Turm zu stehen schien. Mehr noch, der Eintrittswinkel der Sonnenstrahlen war so beschaffen, dass er von den Spiegeln an den Schachtwänden eingefangen und reflektiert wurde. Innerhalb von Sekundenbruchteilen wurde es auf dem Grund des Schachts nicht nur gleißend hell, sondern auch glühend heiß. Es war, als stürzte sich die Hitze der Wüste wie ein ausgehungertes Raubtier auf Sarah und ihre Begleiter. Laydon und seine Vermummten schrien entsetzt und schirmten die Augen ab. Die Gelegenheit, ihre Häscher zu überwältigen, wäre günstig gewesen, aber auch Sarah und Kamal waren geblendet von Licht und Hitze – bis Sarah nach ihrer Staubbrille griff und sie sich überzog.
Im getönten Glas
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