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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Frage des Glaubens. Ein uralter Mechanismus, konstruiert von den Priestern Tezuds, bewacht die Kammer nach den Zyklen des Kalenders. Nur in einem einzigen Monat des Jahres gewährt er freien Zugang. Zur restlichen Zeit wird die Selbstzerstörung in Gang gesetzt, sobald jemand die Kammer betritt. Dann geht das Geheimnis des Thot für alle Zeit verloren – und mit ihm das Feuer des Re.«
    Es war Laydon anzusehen, dass Kamals Worte nicht ohne Eindruck auf ihn blieben. Die Furcht, so kurz vor dem Ziel alles zu verlieren, ließ ihn vorsichtig werden.
    »Und welcher Monat ist das?«, fragte er.
    »Der erste Monat des Jahres, der Monat des Thot«, antwortete Sarah, noch ehe Kamal etwas erwidern konnte – und der Tuareg ließ resignierend den Kopf sinken.
    »Der Januar also!« Laydon lachte triumphierend auf. »Offenbar ist mir das Schicksal gewogen, denn wie es der Zufall will, hat gerade ein neues Jahr begonnen. Allerdings frage ich mich, ob du mir die Wahrheit sagst. Vielleicht versuchst du ja auch, mich in die Irre zu führen…?«
    »Es ist die Wahrheit«, versicherte Kamal traurig – und endlich nahm Laydon die Waffe von Sarahs Schläfe.
    »Also gut«, erklärte er sich einverstanden, »so will ich dir also glauben. Aber ihr beide werdet die Schwelle zuerst überschreiten. Und vergesst nicht, dass ich meine Waffe auf euch gerichtet habe. Wenn ihr auch nur den Versuch unternehmt, etwas von dem, was wir in der Kammer vorfinden, zu manipulieren oder zu zerstören, so werde ich euch ohne Zögern erschießen. Habt ihr mich verstanden?«
    »Durchaus.«
    »Dann los.«
    Zwei von Laydons vermummten Schergen traten vor. Mit vorgehaltenen Waffen bedeuteten sie Sarah und Kamal, die offene Pforte zu durchschreiten. Erneut trafen sich die Blicke der Lady und des Tuareg, und diesmal lag unendliches Bedauern darin – denn beide wussten, dass es kein Zurück mehr gab. Sie reichten einander die Hände, was Laydon mit zynischem Gelächter quittierte.
    Dann betraten sie die Kammer, in die seit dreitausend Jahren niemand seinen Fuß gesetzt hatte…

 
    8
     
     
     
    Sarah hielt den Atem an, als sie die Schwelle überquerte.
    In der festen Überzeugung, von einer verborgenen Falle ereilt zu werden und jeden Augenblick einen jähen und grausamen Tod zu sterben, setzte sie beherzt ihren Fuß in die Kammer. Sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass dadurch der Selbstzerstörungsmechanismus in Gang gesetzt und sie ihr Versprechen dem alten Ammon gegenüber einlösen würde – aber nichts dergleichen geschah. Weder tat sich ein tiefer Abgrund auf, der Sarah und Kamal verschlang, noch wurden sie von herabstürzenden Gesteinsbrocken zermalmt oder von Pfählen aufgespießt.
    Alles blieb ruhig, und Sarah fragte sich bange, ob der Mechanismus überhaupt noch intakt war. Zögernd gingen sie weiter, atmeten die Jahrtausende alte Luft, die geruchlos und trocken war.
    »Vorwärts«, drängte sie Laydon. »Worauf wartet ihr?«
    »Geduld, Onkel Mortimer«, entgegnete Sarah kühl. »Thots Geheimnis harrt seit dreitausend Jahren seiner Entdeckung – auf ein paar Augenblicke mehr oder weniger kommt es jetzt nicht mehr an, oder?«
    Im Licht der Fackeln, die Laydons Handlanger trugen, gingen sie weiter. Ein kurzer Verbindungsgang führte in eine Kammer, die der Fünfheit der Gottheit zu Ehren die Form eines Pentagons besaß und deren Durchmesser an die zwölf Yards betragen mochte. Die Wände waren mit faustgroßen Löchern versehen, in denen lederne, mit Wachs versiegelte Köcher steckten, die systematisch nummeriert zu sein schienen.
    »Eine Bibliothek«, flüsterte Sarah. »Die Schriftrollen mit dem geheimen Wissen des Thot. So manches Rätsel der Antike hat hier seinen Ursprung…«
    »Das interessiert mich nicht«, erklärte Laydon, der schnaubend neben sie trat. »Alles, was ich will, ist das verdammte Feuer.«
    »Geduld, Onkel. Geduld…«
    Auf der gegenüberliegenden Seite der Kammer, in einer der Ecken des Pentagons, erhob sich eine große Statue, die den auf seinem Thron sitzenden Mondgott porträtierte. Anders als das Standbild in der Zisterne von Hermopolis war dieses durch den Lufteinschluss vollständig erhalten, gerade so, als hätte der Steinmetz eben erst letzte Hand an sein Werk gelegt. Und so blickte das langhalsige Haupt des Ibis im Schein der Fackeln auf die Eindringlinge herab, und für einen kurzen, unmerklichen Augenblick hatte Sarah den Eindruck, als sähe sie ein feindseliges Funkeln in den Augen der Gottheit.
    Zu Füßen der

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