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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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ohne Zögern – und schon im nächsten Moment dämmerte ihr, dass dies vielleicht ein Fehler gewesen war…

 
    8
     
     
     
    P ERSÖNLICHES T AGEBUCH
     
    Der alte sokratische Grundsatz, dass neues Wissen immer nur neue Fragen aufwirft, hat sich einmal mehr bewahrheitet.
    Mit einer seltsamen Mischung aus Erleichterung und Bestürzung haben Maurice du Gard und ich den Palast von St. James verlassen. Erleichterung darüber, dass der Thronerbe des britischen Empire offenbar doch nicht der Mörder ist, der im East End sein Unwesen treibt; aber auch Bestürzung, weil wir das Gefühl haben, einem Skandal von noch völlig unkalkulierbaren Ausmaßen auf die Spur gekommen zu sein. Ohne es zu ahnen, haben wir uns an den Rand eines tiefen Abgrunds begeben, aus dem uns nichts als Finsternis entgegenstarrt.
    Was haben die Worte des jungen Herzogs zu bedeuten? Sind sie nur das Gerede eines Mannes, der dabei ist, den Verstand zu verlieren, oder verbirgt sich mehr dahinter? Noch ehe ich Scotland Yard, Mortimer Laydon, Jeffrey Hull oder irgendjemandem sonst davon berichte, brauche ich selbst Gewissheit. Ich habe mich daher entschlossen, trotz vorgerückter Stunde, die herzogliche Vollmacht zu benutzen und zusammen mit du Gard die Bibliothek im Britischen Museum aufzusuchen.
    Um aus den Worten des Dukes gesicherte Erkenntnisse zu ziehen, muss ich einige Dinge überprüfen. Erst wenn ich im Besitz eindeutiger Hinweise bin, kann ich anderen berichten, was wir erfahren haben, ohne mein Wort gegenüber dem Thronerben zu brechen…
     
     
    B RITISH M USEUM , G OWER S TREET
    4 S TUNDEN SPÄTER
     
    »Und du glaubst, dass du hier Antworten findest?«
    Maurice du Gard machte keinen Hehl aus der Skepsis, die er empfand, während er an Regalen aus dunklem Holz emporblickte, die bis unter die getäfelte Decke mit Büchern gefüllt waren. Eine Mischung aus Bienenwachs und dem Geruch von altem Leder tränkte die Luft, und dem Franzosen war nicht wohl bei dem Gedanken, möglicherweise alle diese Bücher auf der Suche nach einem Hinweis durchsehen zu müssen.
    »Du hast dich nicht verändert«, stellte Sarah lächelnd fest. »Du hasst Bücher noch immer.«
    »Non, das ist nicht wahr. Ich hasse Bücher nicht.« Du Gard schüttelte den Kopf. »Es ist nur so, dass ich glaube, dass man von Menschen besser und mehr lernen kann als aus einem Buch.«
    »Ist das dein Ernst?« Sarah konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, während sie die umliegenden Regale nach einem bestimmten Titel absuchte. Da sie in dem quadratisch angelegten Raum mit der hohen Decke allein waren, konnten sie sich ungestört unterhalten.
    »Mais bien sur – natürlich ist das mein Ernst. Warum auch nicht?«
    »Weil das der größte Unsinn ist, den ich je gehört habe«, erwiderte Sarah, während sie den Zeigefinger über die ledernen Buchrücken gleiten ließ. »Daressy, Davis, Denham…«
    »Pourquoi? Weshalb ist das Unsinn?«
    Sarah unterbrach ihre Suche für einen Augenblick. »Weil Bücher von Menschen geschrieben werden, Maurice, deshalb. Aus einem Buch zu lernen bedeutet nichts anderes, als von einem Menschen zu lernen, nur dass du diesen Menschen nicht zu kennen brauchst, um in den Vorzug seines Wissens zu kommen. Selbst über seinen Tod hinaus kann er dir auf diese Weise seinen Kenntnisstand vermitteln, mit einem Buch als geschriebenem Vermächtnis.«
    »Oui«, bestätigte der Franzose, und der Blick, den er Sarah dabei sandte, ließ sie erschaudern. »Und genau das ist es, was mir an Büchern Furcht einflößt…«
    Sie zog es vor, ihn nicht zu fragen, was genau er damit meinte, sondern wandte sich wieder dem Regal und seinem Inhalt zu. Die ägyptologische Abteilung der Bibliothek war umfassend und ließ sich durchaus mit der des Louvre vergleichen. Sarah war guter Dinge, dass sie finden würde, wonach sie suchte.
    »Derby, Derford, Deringer…«
    »Glaubst du denn tatsächlich, was der Herzog gesagt hat?«, fragte du Gard. »Zugegeben, das alles hörte sich sehr geheimnisvoll an, aber offen gestanden schien es mir nicht mehr zu sein als das Gerede eines Mannes, der dem Drachen einmal zu oft nachgejagt ist. Ich weiß, wovon ich spreche…«
    »Was meinst du?« Sarah blickte auf. »Hast du den Drachen etwa auch einmal zu oft gejagt?«
    Du Gard grinste. »Komm schon«, meinte er, »du weißt, was ich meine. Das alles ergibt keinen Sinn.«
    »Nein? Sagtest du nicht selbst, dass es unmöglich wäre, unter dem Einfluss der Hypnose die Unwahrheit zu sagen?«
    »Oui, c’est

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