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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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von Dingen, die geschehen sind – jedenfalls vermute ich das.«
    »Aber Sie sind sich nicht sicher?«
    »Nein.«
    »Was für Dinge sind das, die Sie sehen?«
    Erneut zögerte der Herzog, und in seinen Augenwinkeln zuckte es nervös. Schon glaubte Sarah, er würde erwachen, aber der Bann der Hypnose hielt. Die Hände des Herzogs begannen leicht zu zittern. Sich zu erinnern schien ihn einige Überwindung zu kosten.
    »Soll ich beschreiben, was ich sehe?«, fragte er.
    »Bitte sehr.«
    »Nun, ich… ich befinde mich auf einem breiten Korridor. Die steinernen Wände sind gesäumt von steinernen Figuren, und ich sehe geheimnisvolle Zeichen…«
    »Hieroglyphen?«, fiel Sarah ihm gespannt ins Wort, worauf du Gard ihr einen warnenden Blick zuwarf – es konnte gefährlich sein, einen Hypnotisierten zu unterbrechen.
    »Ja, Hieroglyphen«, bestätigte der Herzog mit mattem Tonfall. »Es ist dunkel und kalt, und ich fürchte mich, aber ich darf es mir nicht anmerken lassen, denn ich bin nicht allein.«
    »Wer ist bei Ihnen?«
    »Zwei Männer, deren Gesichter ich nicht sehen kann. Sie tragen Fackeln und führen mich in ein weites Rund. Über mir am Himmel kann ich die Sterne sehen, und vor mir erhebt sich eine steinerne Nadel.«
    »Ein Obelisk?«, hakte Sarah nach.
    »Ja, ein Obelisk.«
    »Ist es die Nadel der Kleopatra?«
    »In der Tat…«
    »Hoheit, wo befinden Sie sich?«
    Kurzes Zögern. »Ich weiß es nicht. Man hat mir die Augen verbunden, als man mich an diesen Ort führte. Ich habe die Orientierung verloren.«
    »Ich verstehe. Was geschieht jetzt?«
    »Ich trete in den Schatten der Nadel. Dort erwarten sie mich.«
    »Wer?«
    »Der Schakal, die Schlange und das Krokodil.«
    Du Gard warf Sarah einen zweifelnden Blick zu, die ihm jedoch mit einem Nicken zu verstehen gab, dass sie verstand. Denn die drei Tiere, die der Herzog aufgezählt hatte, wurden alle Göttern des ägyptischen Pantheons zugeordnet: der schakalköpfige Anubis, der Schlangendämon Apophis und Suchos mit dem Haupt eines Krokodils…
    »Die Götter sprechen zu mir«, fuhr der Herzog flüsternd fort.
    »Sie sprechen zu Ihnen?«
    »Ja… Sie sagen mir, dass ich auserwählt bin.«
    »Auserwählt wozu?«, wollte Sarah wissen.
    »Das Buch des Ibis zu finden und sein Geheimnis zu entschlüsseln, um die Rückkehr des Mondgottes auf die Erde vorzubereiten…«
    Sarah hielt den Atem an. Die Luft im herzoglichen Audienzraum erschien ihr mit einem Mal unerträglich heiß und stickig. Wieder der Ibis, das Tier der Gottheit Thot, die die alten Ägypter als Herrscher des Mondes und der Nacht verehrt hatten. Fügte sich so alles zusammen…?
    »Thots Verbündete haben erneut zusammengefunden. Sie wollen, dass der silberne Aton auf die Erde zurückkehrt, um über den Mond zu gebieten und die ewige Nacht zu entfesseln. Licht soll zu Dunkelheit werden und Tag zu Nacht, durch das Geheimnis, das Thot einst entdeckt hat und das die Kraft zu großer Zerstörung birgt. Jahrtausende hat der Mondgott geruht, doch nun sehnt er seine Rückkehr herbei – und ich soll sein Werkzeug sein, indem ich das Buch der Geheimnisse finde und zu ihm bringe…«
    Die Stimme des Herzogs war immer lauter geworden, bis sie sich zuletzt fast überschlug. Schweiß war auf seine Stirn getreten und rann in Strömen an seinen Schläfen herab, Krämpfe begannen ihn zu schütteln.
    »Ça, ce n’est pas bien«, flüsterte du Gard besorgt.
    »Euer Hoheit«, versuchte Sarah den Herzog zu beruhigen und ergriff seine Hand, die sich trotz seiner feuchten Stirn eisig anfühlte. »Beruhigen Sie sich. Es ist alles in Ordnung, hören Sie…?«
    »D-die ägyptischen Götter befehlen mir zu tun, was sie verlangen, aber ich weigere mich. Ich sage ihnen, dass ich nicht zum Werkzeug der Rache werden will. Dass ich nicht wünsche, dass Dunkelheit über die Menschheit kommt und Krieg und Untergang drohen.«
    »Und was erwidern die Götter?«
    »Dass ich in großer Tradition stehe. Dass Alexander, Cäsar und Napoleon vor mir die Pfade Thots beschritten hätten und er sie zu Macht und Reichtum geführt habe. Als Albert Victor der Siegreiche kann ich die Unsterblichkeit erlangen… und dennoch verweigere ich mich dem Ansinnen der Götter. Ich will dem Mondgott nicht zu Diensten sein.«
    »Was geschieht dann?«, wollte Sarah wissen.
    »Die Götter verhängen einen Fluch über mich. Niemals, so sagen sie, werde ich Großbritanniens Krone tragen, denn Thots Rache wird mich ereilen, und sie wird fürchterlich sein. Ich…

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