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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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gewährte.
    Pech, dachte Manuel, ging ins Büro und setzte sich an einen der beiden einander gegenüberstehenden Schreibtische. Ellen, das Mädchen für alles, hatte sich heute freigenommen. In einer Klitsche wie dieser war es möglich, das aufzufangen, indem jeder seinen Schriftkram selbst erledigte.
    Er schrieb eine Schadensmeldung und legte sie zu den übrigen Papieren auf Ellens Schreibtisch. Mit geschlossenen Augen atmete er ein. Der Duft nach Ellens Parfüm schwebte noch im Zimmer. Er setzte sich erfolgreich gegen den Werkstattgeruch zur Wehr, der immer gleich war, ein Gemisch aus den Ausdünstungen von Benzin, Altöl, Motorenhitze, Wagenschmiere und Männerschweiß.
    Ellen war wie ihr Parfüm, ein wenig zu schwer, zu aufdringlich und zu laut. Und dennoch liebenswert. Weil sie sich loyal verhielt und nicht unter Berührungsängsten litt, wenn es um Auseinandersetzungen mit dem Boss ging.
    »Lass gut sein, Alex«, sagte sie oft, unbeeindruckt von seinen Wutausbrüchen, ließ ihn stehen und wartete, bis er sich beruhigt hatte und man wieder vernünftig mit ihm reden konnte. Der Boss nahm es hin. Man munkelte, dass sie mal was miteinander gehabt hätten, aber niemand wusste es definitiv. Manuel konnte es sich vorstellen. Und irgendwie auch nicht.
    Alex war handzahm, beinah schon kleinlaut in ihrer Gegenwart. Es war, als besäße Ellen durch ihre bloße Anwesenheit die Fähigkeit, ihn einzuschüchtern. Dabei war er nun wirklich nicht der ängstliche Typ. Groß und ungeschlacht, der ganze Körper nur Muskeln und Sehnen.
    Dreizehn Uhr. Mittagspause. Manuel kehrte in die Werkstatt zurück. Die Geräusche trafen ihn mit voller Wucht.
    »Pause!«, schrie er dagegen an.
    Augenblicklich ließen alle ihr Werkzeug fallen. Richie, der Lehrling, war der Erste, der sich im Pausenraum an den Tisch fläzte und seine Butterbrote auspackte.
    »Kaffee«, sagte Manuel knapp.
    Richie erhob sich mit einem vorwurfsvollen Ächzen und machte sich am Wasserkocher zu schaffen. Er gab Instantpulver in die Kaffeebecher und stellte Milch und Zucker auf den Tisch.
    Aus der Werkstatt und aus dem Büro drang das Klingeln der Telefone herüber. Sie kümmerten sich nicht darum. Pause war Pause. Die stand ihnen zu. Das war gesetzlich geregelt. Alles andere konnte warten.
    Schmierige Hände, dreckige Overalls, Schmutzstreifen in den Gesichtern. Fünf Männer um einen Tisch. Sie hatten sich nicht viel zu sagen und dennoch verbrachten sie den Großteil des Tages miteinander.
    Manuel nestelte einen dünnen Spiralblock aus der Hosentasche und griff nach einem der Werbekugelschreiber, die überall herumlagen.
    Weißt du, schrieb er, von mir und meinen Träumen? Ist Platz für mich in deiner Welt?
    Richie grinste. Lars und Tonio, die Gesellen, warfen sich vielsagende Blicke zu. Manuel wusste es, ohne hinzusehen. Er  wusste auch, dass Alfred, der Meister, mit den Augen rollte. Es war ihm egal. Es wäre ihm auch gleichgültig gewesen, wenn Alex einen seiner dummen Sprüche losgelassen hätte. Doch der war unterwegs. Chefsache.
    Manuels Finger hatten Flecken auf dem Papier hinterlassen. Das machte die Worte billig. Ärgerlich strich er sie durch.
    Ich liebe dich, dachte er. Du bist sauber und gut gekleidet und klug und schön. Er stellte sich vor, wie er von hinten zu ihr an den Schreibtisch trat und ihren Nacken küsste. Wie er ihren Namen flüsterte und mit der Zungenspitze ihre Schulter liebkoste.
    Imke.
    Sie war außergewöhnlich. Ein Wunder.
    Und doch für ihn bestimmt.
    Allzu lange konnte er nicht mehr warten.
     
    Imke hatte den ganzen Nachmittag mit den Mädchen verbracht. Sie hatten sie in die Planung der Renovierungsarbeiten eingeweiht und Imke war dankbar darauf eingegangen. Im Leben ihrer Tochter war nicht mehr allzu viel Platz für sie, da freute sie sich über jeden gemeinsamen Augenblick, der nicht mit Konflikten belastet war.
    Als sie nach Hause kam, dämmerte es bereits. Sie stellte den Wagen in der Scheune ab und ging auf Zehenspitzen über den knirschenden Kies. Der Weg war mörderisch für Schuhe mit Absätzen. Die kleinen Steine bohrten sich in das weiche Leder und verursachten hässliche Schäden. Seit sie hier wohnte, war sie Stammkundin beim Reparatureildienst im Einkaufszentrum des Nachbarorts.
    Imke liebte die Abendstimmung auf dem Land. Wenn alles still wurde und sogar das Blöken der Schafe sich zu entfernen schien. Aber heute konnte sie es nicht richtig genießen.  Sie sehnte sich nach dem Anblick eines erleuchteten Fensters,

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