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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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hinter dem Tilo auf sie wartete. Sie hatte das Bedürfnis, sich in seine Arme zu kuscheln und den ganzen Abend dort zu verbringen.
    Doch es kamen nicht einmal die Katzen, um sie zu begrüßen. Imke lockte sie leise. Sie fragte sich, warum sie sich nicht traute, laut nach ihnen zu rufen. Sie war doch gar nicht der Typ, der bei jedem Geräusch zusammenfuhr und sich vor den Schatten fürchtete Weil irgendetwas anders war.
    »Hör auf«, tadelte sie sich selbst. »Mach dich nicht zum Narren.«
    Alles war doch wie immer.
    Sie hob den Kopf.
    Alles war da, wo es hingehörte.
    Nur der Bussard nicht.
    Imke achtete nicht mehr auf ihre Absätze und beschleunigte das Tempo. Sie knickte um. Ruderte mit den Armen. Fluchte zwischen zusammengebissenen Zähnen. Setzte den Fuß wieder auf. Fühlte einen glühenden Schmerz in ihrem Knöchel explodieren.
    Etwas stimmte nicht!
    Sie spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach. Der Hals wurde ihr eng. Sie bekam kaum noch Luft. Humpelte weiter, langsam, Meter für Meter.
    Und dann sah sie das Päckchen. Es lag vor der Tür, DIN A 4, braunes Packpapier, unbeschriftet, ordentlich mit Paketband zugeklebt.
    Unauffällig. Unschuldig.
    Unschuld. Als ob es die noch gäbe, dachte Imke grimmig. Und zuckte sogleich vor ihrem Zynismus zurück. Weil man selbst die Unschuld verlor, sobald man nicht mehr an sie glaubte.
    Imke starrte das Päckchen an. Sie hielt die Schlüssel so fest, dass ihre Finger sich verkrampften.
    Aufheben oder nicht?
    Sie bückte sich, streckte zögernd die freie Hand aus und zog sie wimmernd wieder zurück. Ihr Atem ging jetzt in raschen Stößen. Sie tupfte sich die Schweißperlen von der Oberlippe und stand vor dem Päckchen wie die Maus vor der Schlange.
    Starr vor Angst.
    Das war nicht bloß eine Redensart. Es dauerte eine Ewigkeit, bis es Imke gelang, sich zu bewegen. Ihre zitternde Hand hatte es eben geschafft, den Schlüssel ins Schloss zu stecken, als das Telefon im Haus klingelte. Hastig schloss Imke auf und stürzte in die Halle.
    Die Küche. Das Telefon musste irgendwo in der Küche liegen. Sie folgte dem Ton, vertrat sich den pochenden Knöchel ein zweites Mal und fing sich stöhnend am Türrahmen ab.
    Das Klingeln hörte auf.
    »Mist!«
    Trotzdem suchte Imke weiter. Sie fand das Gerät schließlich unter der Tageszeitung und nahm es mit, als sie zur Haustür zurückhinkte.
    Sie konnte sie nicht schließen, bevor sie entschieden hatte, was mit dem Päckchen zu tun war. Ihr Herz klopfte heftig und schnell. Sie lehnte sich an den Türpfosten, legte den Kopf an das Holz und schloss erschöpft die Augen.
    Im nächsten Moment riss sie sie wieder auf.
    Irgendjemand musste das Päckchen hier abgelegt haben!
    Es trug keine Briefmarken und keinen Stempel. Vom Postboten konnte es also nicht geliefert worden sein und die Kuriere der Paketdienste gaben eine Sendung höchstens bei einem der Nachbarn ab.
    Mit den nächsten Nachbarn - wenn man sie überhaupt so nennen konnte, denn die Mühle lag ein gutes Stück außerhalb  des Dorfs - hatte Imke eine klare Regelung getroffen: Wenn einmal jemand ein Paket für sie annahm, deponierte er es in der Scheune, wo es vor Regen und neugierigen Blicken geschützt war.
    Imke bückte sich und tippte das Päckchen mit dem Zeigefinger an. Sie fuhr zurück wie von der Tarantel gestochen. Immer noch in gebeugter Haltung, schaute sie sich aufmerksam um. Keine verräterischen Spuren. Und der Bussard hatte vielleicht bloß Lust auf einen kleinen Abendflug gehabt.
    Imke konnte fühlen, wie ihr Knöchel anschwoll. Er brannte wie Feuer. Sie sollte ihn kühlen und das möglichst bald.
    Entscheide dich, dachte sie. Tu irgendwas, um Gottes willen, aber tu’s!
    Als das Telefon in ihrer Hand läutete, hätte sie es vor Schreck beinah fallen lassen. Dann überschwemmte sie die Erleichterung. Sie war so sehr davon überzeugt, dass der Anrufer Tilo war, dass sie nicht auf das Display achtete.
    »Gut dass du anrufst, Schatz. Ich …«
    Etwas ließ sie mitten im Satz verstummen.
    Sie warf einen verspäteten Blick auf das Display. Rufnummer unbekannt.
    »Hallo?«, fragte sie leise.
    »Heb es auf«, befahl eine dunkle Männerstimme.
    Die Haut in ihrem Nacken zog sich zusammen.
    »Heb es auf!«
    Imke presste sich mit dem Rücken gegen die offen stehende Tür, als könnte das Holz ihr Schutz gewähren. Sie fühlte sich ausgeliefert und preisgegeben.
    Er musste in der Nähe sein!
    Sie wollte ins Haus laufen, doch sie war nicht fähig, sich zu regen. Es war wie in einem

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