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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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charmantesten, falschesten Lächeln provoziert. Seiner rosigen Gesichtsfarbe nach zu schließen, hatte er wie ein Baby geschlafen, und er schien sich nun zu fragen, was das über seine Sensibilität aussagen mochte.
    Isa hatte bloß milde zurückgelächelt und sich dann irgendwelchen Papieren gewidmet, die vor ihr auf dem Besprechungstisch lagen, das sicherste Mittel, den Blutdruck des Chefs in die Nähe der Zweihundertmarke zu treiben.
    »Es ist längst erwiesen, dass der Mond Auswirkungen auf unser Wohlbefinden hat«, hatte Bert eingeworfen. »Wir von der Kripo wissen doch am besten, dass bei Vollmond die Zahl der Suizide und Tötungsdelikte rapide ansteigt.«
    »Tun wir das?« Der Chef hatte sich mit säuerlicher Miene seinerseits über seine Notizen gebeugt und das Gespräch damit beendet. Wieder hatte Isa gelächelt und diesmal war ihr Lächeln voller Herzlichkeit gewesen und es hatte Bert gegolten.
    »Du glaubst tatsächlich an die Besonderheit von Vollmondnächten?«, fragte sie jetzt, als sie in der Kantine saßen und in friedlicher Eintracht einen giftgrünen, lauwarmen Erbseneintopf mit schrumpligen Wurstscheibchen löffelten.
    »Wirklich und wahrhaftig«, sagte Bert im Brustton der Überzeugung. »Wie willst du dir sonst die Vampire und Werwölfe erklären?«
    »Oder Doktor Jekyll und Mister Hyde.«
    »Genau.«
    Isa grinste von einem Ohr zum andern. Sie schob ihren Teller beiseite und zog sich das Stück Sachertorte heran, das sie sich zum Nachtisch ausgewählt hatte. »Auch einen Kaffee?«, fragte sie und angelte ihre Geldbörse aus der Tasche.
    »Gern.« Bert wischte sich den Mund mit einer Papierserviette, die so hauchdünn war, dass sie ihm unter den Fingern zerfiel. Ärgerlich knüllte er sie zusammen und warf sie in die übrig gebliebene Erbsensuppe. Er schaute Isa hinterher, die auf dem Weg zur Theke war, fing ihren Blick auf, wies auf ihr Stück Torte und dann auf sich selbst. Sie nickte und kam mit zwei Tassen Kaffee und einem weiteren Stück Sachertorte zurück.
    »Wie schön, dass ich dich auch mal bei ungesunden Gelüsten ertappe«, sagte sie und setzte sich wieder. »Abgesehen von deiner Koffeinsucht, die ich ja teile.«
    »Da hätte ich noch mehr zu bieten.« Bert zählte an den Fingern ab: »Erstens fröne ich dem Müßiggang, indem ich schon eine ganze Weile keinen Sport mehr treibe. Zweitens esse ich zu viel, seit ich das Rauchen aufgegeben habe. Und drittens trinke ich gern mal einen über den Durst.«
    Isa ließ den ersten Bissen mit geschlossenen Augen auf der Zunge zergehen. »Hmmm … himmlisch …«
    Die Qualität des Kantinenessens riss einen nicht vom Hocker, aber die Kuchen waren normalerweise eine Wucht. Dennoch verspeiste Bert sein Stück Torte heute ohne Genuss. Er machte sich Sorgen.
    Auf keinem der Papiere, die Imke Thalheim ihm mitgegeben hatte, waren Fingerabdrücke zu finden gewesen, außer ihren eigenen. Das bedeutete, dass sie es mit einem Täter zu tun hatten, der planmäßig vorging und nichts dem Zufall überließ.
    Isa breitete die Unterlagen auf dem Tisch aus. Die Fotos legte sie ein wenig abseits. Sie überflog den einen oder anderen Text und vertiefte sich dann in den Anblick der Fotos.
    Bert war gespannt auf ihr Urteil. »Was hältst du davon?«, fragte er.
    »Prominentenstalking ist ja ein Delikt, das immer häufiger vorkommt«, sagte sie. »Das liegt ganz klar an der Medienpräsenz in unserer Gesellschaft. Daran, dass Prominente ein gläsernes Leben führen.«
    Ein gläsernes Leben. Kalt und zerbrechlich.
    »Wobei ich mit der Bezeichnung Stalking in diesem Fall ein Problem habe«, fuhr Isa fort. »Ein Stalker will sich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit sehen. Er rückt seine eigene Person sozusagen ins Rampenlicht, und wenn er einem Prominenten nachstellt, dann auch in der Hoffnung, dass ein wenig vom Ruhm seines Opfers auf ihn abfärbt.«
    Bert wusste sofort, was sie meinte. »Stalker bleiben normalerweise nicht anonym.«
    »Richtig.« Isa nickte. »Denk nur an Mark Chapman, den Stalker, der 1980 John Lennon erschoss. Sein Motiv war der Wunsch, berühmt zu werden, und der ist ihm in gewisser Weise ja auch erfüllt worden.«
    Indem er John Lennon in den Rücken schoss. Fünfmal. Bert zog gequält die Schultern zusammen.
    »Allerdings war er zudem auch noch ein religiöser Fanatiker«, sagte Isa. »Er wollte Lennon für seinen lockeren Lebenswandel bestrafen.« Sie leckte sich Schokoladenkrümel aus den Mundwinkeln und zog die Fotos heran. »Dieser hier bleibt

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