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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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wieder verliebt hatte? Das war doch lächerlich. Energisch stieß sie die Tür auf, begrüßte die Ärztin und stellte den ersten Korb auf den Tisch.
    Verlieben. Und wenn das Wort nicht zufällig dieselbe Vorsilbe hatte wie ver-rückt, ver-kehrt, Ver-rat, Ver…?
    Hör auf, dachte Merle. Lass das sein. Sie zog Silver aus seinem Korb und setzte ihn ein klein wenig zu ruppig auf dem kalten Behandlungstisch ab. Er revanchierte sich postwendend, indem er ihr seine Krallen ins Fleisch schlug. Erschrocken zog Merle die Hände zurück.
    Blut tropfte auf den hellen Fliesenboden. Die Ärztin fluchte, weil Silver die Gelegenheit genutzt hatte, um vom Tisch zu springen und sich hinter einer der beim Fenster gestapelten Arzneikisten zu verkriechen.
    Während die Ärztin und zwei Mitarbeiter des Tierheims den armen Silver in die Enge trieben, um ihn wieder einzufangen, stand Merle reglos da und starrte auf die rote Spur, die mehr war als nur das, ein böses Omen nämlich, auf das Merle insgeheim die ganze Zeit gewartet hatte.
     
    Seit Tagen hatte es keine bedrohlichen Vorfälle mehr gegeben, aber Imke hatte die deutliche Ahnung, dass es sich nur um eine Atempause handelte. Es würde weitergehen, da war sie sich sicher, weiter und weiter. Wie schnell man einem Menschen den Boden unter den Füßen wegziehen konnte. Mit scheinbaren Nichtigkeiten.
    Ein Schatten unter dem Fenster. Der verstörende Duft eines erschreckend vertrauten Aftershaves im leeren Gang eines  Supermarkts. Ein flüchtiger Körperkontakt im Gedrängel der Stadt.
    Der Kommissar hatte ihr geraten, Anzeige zu erstatten. So etwas hatte sie erst ein einziges Mal in ihrem Leben getan. Damals hatte man ihr in der U-Bahn die Handtasche gestohlen, mit sämtlichen Papieren und sämtlichen Schlüsseln. Anzeige gegen Unbekannt. Es war nichts dabei herausgekommen.
    Dennoch würde sie dem Rat des Kommissars folgen. Er hatte ihr mehr als einmal beigestanden, als sie Angst um ihre Tochter gehabt hatte, und sie vertraute ihm bedingungslos.
    »Lassen Sie sich nicht zum Opfer machen«, hatte er gesagt. »Wehren Sie sich.«
    Konnte sie das? Sich wehren? Gegen wen? Einen Verfolger, der nicht sichtbar, nicht greifbar war? Der sich selbst den Namen Schattengänger gegeben hatte?
    Imke hatte das Internet durchforstet. Sie war auf Foren gestoßen, in denen Frauen und Mädchen, denen ein Stalker das Leben zur Hölle machte, einander mit Rat und Tat zur Seite standen. Sie hatte quälende Stunden an ihrem Computer verbracht und sich in das Phänomen Stalking eingelesen.
    Das Gelesene hatte sie verfolgt. In unzähligen Variationen war sie dem begegnet, was ihr selbst widerfahren war. Und sie hatte eine Vorstellung davon bekommen, was dieser Mann ihr noch alles antun konnte. Sie hatte angefangen, sich vor den Nächten zu fürchten und vor den Träumen, die sie brachten.
    Seit Tagen hatte Imke kein Wort geschrieben. Sie fühlte sich rastlos und unzufrieden. Wenn sie es doch einmal versuchte, scheiterte sie bereits an den ersten Sätzen.
    Tilo hatte sich bereit erklärt, zu Hause zu bleiben, bis der Spuk vorüber sei, aber Imke hatte müde abgewunken. »Wir haben doch nicht die mindeste Ahnung, wie lange es dauern wird.«
    »Wann wirst du es endlich Jette erzählen?«, hatte er gefragt,  bevor er das erste Mal wieder zur Arbeit fuhr. »Es ist schließlich nicht nur dein Problem. Es geht alle an, die mit dir in Berührung kommen.«
    Und wenn es jemand war, den sie kannte? An dem sie niemals zweifeln würde? Der zu ihrem Leben gehörte?
    Der Gedanke nahm ihr die Luft. Nein. Sie würde Jette nicht beunruhigen. Die Mädchen freuten sich so sehr über ihren Bauernhof. Sie wollte ihnen diese Freude nicht verderben.
     
    Dass wir den Bauernhof so problemlos hatten mieten können, hatten wir wahrscheinlich Luke und seinen Verbindungen zu verdanken. Ich hatte ihn danach gefragt, doch er war mir ausgewichen. Überhaupt schien er Fragen nicht zu mögen. Aber vielleicht kam mir das auch nur so vor.
    Mike und Ilka hatten sich aus Brasilien gemeldet und am Telefon einen Freudentanz aufgeführt. Sie wollten ihre Reise vorzeitig abbrechen, um beim Renovieren zu helfen.
    »Seid ihr wahnsinnig?« Merles Stimme war in die Höhe geschnellt. »Vielleicht habt ihr in eurem ganzen Leben nicht mehr die Möglichkeit, so eine Reise zu machen. Bleibt bloß, wo ihr seid.«
    Auch Mina hatte sich nur mit Mühe davon abhalten lassen, sofort ihre Zelte in der Klinik abzubrechen, um mit anzupacken. Aber Tilo hatte uns recht

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