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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Schwierigkeiten berichtete, die es ihr bereitete, ihren Vater als Normalsterblichen zu betrachten. »Er war immer so groß, so stark und so klug«, erklärte sie, »dass ich daneben zur absoluten Bedeutungslosigkeit geschrumpft bin.«
    Tilo wurde misstrauisch, wenn er jemanden so reden hörte. Das klang sehr nach hunderttausendfacher Selbstbespiegelung, wirkte glatt und eingeübt. Da war kein Gefühl spürbar, und wäre es nur ein Zipfelchen von Trauer, Angst oder Verzweiflung.
    Vielleicht wurde er der Patientin damit nicht gerecht. Womöglich gab sie sich große Mühe, ihr Empfinden in Worte zu fassen. Doch dazu sprach sie zu schnell. Das alles plätscherte  aus ihrem Mund wie wahrscheinlich schon Hunderte Male zuvor.
    Und draußen war das Chaos.
    Tilo fragte sich, ob wohl auch im Sauerland Unwetter tobten. Imke hatte ihm von ihren ausgedehnten Wanderungen erzählt. Wusste sie, wie man sich bei Gewitter verhalten sollte?
    Ich weiß es ja selber nicht, dachte er. Waren nicht Eichen besonders gefährlich? Oder eher Buchen? Hoffentlich passte Imke auf sich auf.
    Er hatte keine Lust, dieser Frau zuzuhören. Ihr Vater war ihm egal.
    Er machte kein Licht. Er schrieb nichts nieder.
    Er verhielt sich unprofessionell und schämte sich nicht einmal deswegen.
     
    Es war eine andere Dunkelheit, in der ich wieder zu mir kam, stickig und eng. Ich konnte mich nicht bewegen, konnte nichts sehen und nicht sprechen. Mein Kopf tat weh.
    Ganz allmählich erkannte ich meine Situation.
    Meine Hände waren auf dem Rücken gefesselt, meine Füße zusammengebunden. Über meinem Kopf lag eine Kapuze, so dicht, dass ich kaum atmen konnte. Am schlimmsten aber war, dass ein Knebel in meinem Mund steckte.
    Ich lag zusammengekrümmt auf der Rückbank meines Wagens. Der Wagen fuhr. Am Steuer saß Manuel.
    Langsam stieg die Erinnerung in mir hoch. Wir waren auf den Parkplatz eingebogen. Manuel war im strömenden Regen ausgestiegen und hatte die Motorhaube aufgemacht, und obwohl ich von Autos und Motoren nichts verstand und absolut keine Lust hatte, mich nass regnen zu lassen, war ich ebenfalls ausgestiegen und hatte mich neben ihn gestellt.
    Es war inzwischen stockfinster geworden, und ich hatte  mich gefragt, ob Manuel vielleicht Röntgenaugen hatte. Er hatte sich ein wenig vorgebeugt, hatte ein Kabel oder sonst etwas berührt und sich wieder aufgerichtet.
    »Alles so, wie es sein soll«, hatte er gesagt, und seine Stimme hatte mir nicht gefallen. Sie war auf einmal rau gewesen und irgendwie gepresst.
    »Dann würde ich jetzt gern zurückfahren.«
    Diesmal war ich zur Fahrerseite gegangen. Der Wagen war in Ordnung, das hatte er selbst gesagt, die Probefahrt zu Ende. Also würde ich fahren. Und zwar auf dem schnellsten Weg zum Dienst.
    Ab da hatte ich einen Filmriss.
    Manuel musste mich niedergeschlagen haben, als ich mich vorbeugte, um die Tür aufzumachen. Das würde die Schmerzen erklären, die in meinem Kopf dröhnten, und das Brennen am Hinterkopf.
    Panik. Mein Körper erinnerte sich an das Gefühl.
    Ich zerrte an den Fesseln. Bekam keine Luft. Der Knebel ließ mich würgen, so heftig, dass mir die Augen tränten.
    »Es ist leichter, wenn du dich ruhig verhältst«, hörte ich Manuels Stimme.
    Ich versuchte, gleichmäßig zu atmen. Das Würgen ließ nach.
    Hatte er mich vergewaltigt?
    Ich spürte kein Brennen, keine Nässe, keine Verletzung zwischen den Beinen und ich war noch komplett angezogen. Das erleichterte mich so, dass mir die Tränen kamen. Und wieder fing ich an zu würgen.
    Ich konzentrierte mich auf meine Atmung. Ein. Aus. Ein. Aus.
    Manuel hustete. Ich hörte die Fahrgeräusche. Das Prasseln des Regens auf dem Dach. Ich hörte meinen eigenen Atem. Das Rascheln meiner Kleidung, wenn ich mich bewegte.
    Denk nach!
    Unsere Begegnung war nicht zufällig gewesen. Manuel musste mich abgepasst haben. Aber wieso? Was hatte er mit mir vor? Wenn er mir etwas hätte antun wollen, wäre auf dem Parkplatz die beste Gelegenheit dazu gewesen.
    Ich hörte ein Hämmern, ein Stampfen, das ich nicht einordnen konnte. Es wurde leiser und verschwand. Kurz darauf nahm ich ein Rasseln wahr, als würde eine Kette über Metall geschleift.
    Achte auf alles! Damit du dich später daran erinnern kannst.
    Ich bibberte vor Kälte. Der Schock. Mein Körper hatte alle Funktionen heruntergefahren, um sich zu schützen.
    Wir holperten über Kopfsteinpflaster, dann wurde der Untergrund wieder eben. Manuel pfiff vergnügt vor sich hin.
    Vielleicht sind dies die

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