Der Schatz des Dschingis Khan
einen Blick hineinwerfen?«
»Non, non, non.« Madame de Chevalier winkte energisch ab. »Isch denke, das ist nischt nötig«, sagte sie höflich, während sie den vom nächtlichen Regen aufgeweichten Hofplatz mit deutlichem Abscheu musterte. »Ihre Stallburschen können die Pferd in die Stall bringen.«
»Möchten Sie vielleicht so lange im Haus einen Kaffee trinken?«, bot Muriels Mutter an. »Teresa hat gerade Butterkuchen gebacken. Ich bin sicher, er ist schon fertig.«
Madame de Chevalier warf einen Blick auf die nicht minder matschige Wegstrecke vom Wagen bis zum Haus und sagte dann: »Merci, vielen Dank, aber isch warte lieber im Wagen.«
Die Frau war wirklich unmöglich!
Kaum zu glauben, dass die ein Pferd reitet, dachte Muriel belustigt. Vermutlich hat sie zu Hause eine ganze Armee von Pferdewirten, die ihr das Tier fein säuberlich herausputzen und fertig gesattelt auf einem roten Teppich zum Ausritt bereitstellen, während sie sich vor dem Spiegel in die teuerste Reituniform zwängt, die es in Frankreich zu kaufen gibt.
»Wir ’aben ja schon alles an die Telefon besprochen«, hörte Muriel die Französin sagen und sah, wie diese einen weißen Umschlag aus der Handtasche zog. »’ier ’aben Sie, wie vereinbart, die Summe für die ersten vierssehn Tage«, sagte sie und reichte ihn Muriels Mutter.
»Ja, danke.« Renata Vollmer wirkte etwas verlegen. »Wollen Sie wirklich nicht hineingehen?«, fragte sie noch einmal.
»Non, non. Das ist nisch nötig.« Madame de Chevalier winkte erneut ab. »Isch ’abe ’eute noch eine wichtige Termin mit meine Agent!«, erklärte sie in gebrochenem Deutsch. »Da’er wäre isch Ihnen sehr dankbar, wenn Sie Ascalon vite, vite ausladen würden.«
»Selbstverständlich.« Renata Vollmer nickte und rief: »Muriel? Andrea? Kommt ihr mal her und helft mir, das Pferd in die Box zu bringen?«
»Mon Dieu!«, entfuhr es Madame de Chevalier. »Sie wollen sisch selbst mit die Pferd abplagen? ’aben Sie denn keine Stallburschen?«
»Nein, das mache ich lieber selbst.« Renata Vollmer faltete den Umschlag zusammen, steckte ihn in die Brusttasche des Kittels und lächelte entschuldigend. »Er ist schließlich mein Patient, so kann ich ihn gleich ein wenig kennenlernen.« Sie nickte Madame de Chevalier zu und ging um den Wagen herum, um die Klappe des Anhängers zu öffnen. »Fasst mal mit an!«, rief sie Muriel und Andrea zu, die auf der anderen Seite der Ladeklappe standen. »Vorsichtig runterlassen.«
Während Andrea den Riegel löste, stand Muriel daneben und reckte den Hals. Sie hatte noch nie ein American Saddlebred Horse aus der Nähe gesehen, obwohl sie die prächtigen Pferde schon bei so mancher Show bewundert hatte. Sollte Vivien tatsächlich recht haben?
Ein donnernder Huftritt ließ die Laderampe erzittern. Offensichtlich spürte das Pferd, dass es den engen Verschlag bald verlassen konnte, und wurde ungeduldig.
»Aufpassen!«, rief Muriels Mutter. »Die Klappe ist sehr schwer.«
»Vermutlich handgeschnitztes, brasilianisches Edelhartholz«, raunte Andrea Muriel in Anspielung auf die wohlhabende Madame de Chevalier zu.
»Was sonst?« Muriel grinste. Dann fasste sie mit an, um die Rampe nach unten zu klappen.
»Wow!«, entfuhr es Andrea, die als Erste einen Blick auf den Patienten werfen konnte. »Das nenn ich ein prachtvolles Pferd!«
»Cool!« Muriel fehlten die Worte. Natürlich hatte sie gewusst, wie ein American Saddlebred Horse aussah, aber das Pferd im Anhänger war mit Abstand das schönste von allen.
»Siehst du, ich hab doch gesagt, dass es ein Säddelbräd Horse ist«, tönte Vivien von hinten und zupfte Muriel am Ärmel.
»Vivien, geh ein Stück zur Seite.« Renata Vollmer stieg die Rampe hinauf, um das Pferd loszubinden. »Ascalon hat eine lange Reise hinter sich und ist nervös.«
»Woher kommt er denn?« Vivien rührte sich nicht von der Stelle.
»Hast du nicht gehört, was Mama gesagt hat?«, zischte Muriel ihr zu. »Du sollst weggehen.«
»Erst wenn ich weiß, woher das Pferd kommt!« Vivien verschränkte die Arme vor der Brust und schob trotzig die Unterlippe vor.
»Nervensäge!« Muriel verdrehte die Augen und schnitt eine Grimasse. Dann packte sie ihre kleine Schwester am Arm und zerrte sie hinter den Jeep. »Kannst du schon lesen?«, fragte sie pampig.
»Klar!«, erwiderte Vivien ungerührt.
»Dann lies mal, was da steht!« Muriel deutete auf das Nummernschild.
»8793 AD 67.«
»Nein, nicht das! Den Buchstaben da vorn auf dem
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