Der Schatz des Ritters Hermelhain - Die Geisterreiter ; 1
ein paar Jahren aus diesem Museum verschwunden.«
Mia ging Ben vom Fuß, der daraufhin laut nach Luft schnappte, als habe er sich verschluckt, und trat zu Lara, die sich aus der Unterhaltung ausgeklinkt hatte, nachdem ihr an einer der Wände ein anderes Wappen aufgefallen war. Gewissenhaft zeichnete sie es ab. Wer weiß, vielleicht würden sie es noch einmal brauchen können.
Das Wappen bestand aus einem roten Karo, auf dem eine umgekehrte Acht angebracht war, das Zeichen für Unendlichkeit oder das Leben. Hinter dem Karo kreuzten sich zwei Schwerter, sodass nur die Griffe und das Ende der Klingen zu sehen waren.
»Das hier«, sagte Bertram mit feierlicher Stimme, »ist das Wappen Rothardts.«
Mia fand, dass das Wappen nicht so fies aussah wie Oma Maigrund den Charakter von Hermelhains Gegenspieler beschrieben hatte. Es strahlte eher etwas Seriöses aus, aber vielleicht war das ja Rothardts Masche gewesen: Nach außen der verlässliche, aufrechte Ritter und in Wirklichkeit der intrigante Ränkeschmied.
Das Geräusch quietschender Bremsen riss Bertram aus seinen Gedanken. Er spähte durch eines der wenigen kleinen Fenster, die den Raum spärlich erhellten. Ein Bus war gerade vorgefahren und entließ eine Horde bunt gekleideter Rentner mit Sonnenhüten und Kameras vor den Bäuchen.
»So, jetzt müsst ihr aber gehen, sonst passt hier keiner mehr rein. Grüßt mir Oma Maigrund herzlich.« Mit diesen Worten schob Bertram die vier freundlich, aber bestimmt zur Tür hinaus.
Auf dem Rückweg zum Hof hüpften Mia die Gedanken im Kopf herum wie Flöhe. Auch Tommy, Ben und Lara grübelten über das nach, was sie erfahren hatten. Wie kam Hermelhains Wappen in den Pferdestall der Maigrunds? War es das, was der Einbrecher gesucht hatte? Hatte der Stein irgendeinen Wert? Wer war der Einbrecher? Und wer waren »die anderen« gewesen, von denen Bertram gesprochen hatte?
Nachtwache mit Folgen
Tommy wollte eigentlich Oma Maigrund beim Abendessen ein bisschen über Bertram ausfragen. Aber als er und die anderen das Esszimmer betraten, spürte er sofort, dass dicke Luft herrschte. Susanne und Peter brüteten über Papieren, die ihnen die Buchhalterin dagelassen hatte, und sahen dabei gar nicht glücklich aus. Mechanisch schoben sie sich immer mal wieder eine Gabel Apfelauflauf in den Mund, dann hämmerten sie sofort wieder Zahlen in einen Taschenrechner. Peter rieb sich die Augen und zog abwechselnd mal die eine, mal die andere Augenbraue hoch.
Tommy entschied sich, den Ball flach zu halten und kein Thema anzuschneiden, das irgendwie Probleme machen könnte. So verlief das Abendessen ohne neue Erkenntnisse, und Tommy und die anderen spürten deutlich, dass es richtig gewesen war, erst einmal nichts von den Vorkommnissen der letzten vierundzwanzig Stunden zu erzählen.
Für die Nacht hatten sie verabredet, abwechselnd Wache zu halten, falls der Unbekannte wieder versuchen sollte, in den Stall einzubrechen. Tommy und Ben hatten die erste Schicht und machten es sich bequem. Sie schoben ihr Hochbett ans Fenster und ließen es einen Spalt auf. So hatten sie einen freien Blick auf den Hof mitsamt Pferdestall und Umgebung. Zu Bens Pfadfinderausrüstung gehörte auch ein lichtstarkes Fernglas, mit dem man sogar in der Nacht gut sehen konnte. Sie wechselten sich alle paar Minuten damit ab, die Gegend abzusuchen, und griffen immer mal wieder in die Tüte mit Erdnussflips, die sie zwischen sich postiert hatten. Außer dass im Haus nacheinander die Lichter ausgingen und ein paar Rehe in den umliegenden Weizenfeldern herumsprangen, passierte jedoch rein gar nichts.
Mia kam es vor, als habe sie nur kurz die Augen zugemacht, als der Wecker klingelte, dabei waren drei Stunden vergangen, seit die Jungs ihre erste Schicht angefangen hatten. Na gut, sie hatte noch lange mit Lara gequatscht, die jetzt vollkommen verschlafen aus ihrem Kissen guckte.
Lara war tatsächlich eine gute Zeichnerin. Sie hatte Mia
ihre Mappe gezeigt und Mia hatte über die tollen Porträts
von Peter und Susanne gestaunt und sich gewundert, wie gut Lara auch Ben, Tommy und Mia selbst getroffen hatte. Keine Ahnung, wann sie die Zeit dazu gehabt hatte. Und komisch, dass es ihr in den letzten drei Jahren gänzlich entgangen war, dass Lara so ein Hobby hatte. In diesem Sommer passierten sowieso viele überraschende Dinge. Dabei hatte sie gedacht, sie würde den Hof und seine Geschichte kennen, und jetzt gab es auf einmal Ritter, Zeichen an der Wand und Einbrecher.
Mia
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