Der Schatz des Ritters Hermelhain - Die Geisterreiter ; 1
und hielt eine kleine Digitalkamera hoch.
»Wieso soll ich hierbleiben, und du gehst rein?«
»Weil du ein Mädchen bist und …«, weiter kam Tommy nicht, denn Mia hatte ihm geschickt die Kamera entwendet und die Hand schon nach dem Griff der Stalltür ausgestreckt.
Im Zimmer der Jungs schaute Ben durch sein Nachtglas und schüttelte den Kopf.
»Was passiert da?«, fragte Lara, die das Hochbett sehr bequem fand.
»Mia und Tommy streiten sich wieder.«
»Ausgerechnet jetzt?«
Ben zuckte mit den Achseln. Es gab tatsächlich bessere Zeitpunkte.
»Vielleicht sollten wir auch runtergehen und ihnen helfen«, schlug Lara vor.
Aber allein der Gedanke, das geschützte Zimmer zu verlassen, um in einen dunklen Stall zu gehen, in dem womöglich ein gefährlicher Krimineller lauerte, verursachte Ben direkt Bauchgrummeln.
»Okay, vielleicht noch nicht gleich«, lenkte sie ein und reichte Ben zur Beruhigung die Erdnussflips.
Mia verschwand im Spalt der Stalltür, gefolgt von Tommy, der sich ziemlich ausgespielt vorkam. Aber weitere Wortgefechte waren jetzt nicht angebracht, das sah er ein. Leise schlichen sie den ersten Gang mit Pferdeboxen entlang.
In den letzten beiden waren die Pensionspferde des Paares untergebracht, das immer am Wochenende zum Ausreiten kam. Eines trank gerade aus dem Wassertrog. Mia fiel ein merkwürdiger Geruch auf, und dann hörten sie beide das Geräusch. Es war das Geräusch einer gluckernden Flüssigkeit, die in ein Gefäß gefüllt wurde. Es kam aus dem nächsten Quergang. Beide hielten den Atem an und blieben vor der nächsten Ecke stehen.
Mia ging in die Hocke und schob ihren Kopf Zentimeter um Zentimeter vor, um sehen zu können, was sich dort abspielte. Als sie einen warmen Luftzug im Nacken spürte, fuhr sie herum und stieß mit Tommy zusammen, der über ihr ebenfalls um die Ecke hatte lugen wollen. Zum zweiten Mal in dieser Nacht stieß sich Mia die Stirn, und zum ersten Mal in dieser Nacht bekam Tommy Mias harten Schädel an seiner Nase zu spüren. Beide bissen die Zähne zusammen und unterdrückten den Schmerz, um sich nicht zu verraten.
Das Gleichgewicht konnten sie aber nicht mehr halten. Tommy kippte vornüber und riss Mia mit. Sie purzelten hinter der Ecke hervor in den Gang. Im Rollen sah Mia eine schwarze Gestalt, die vor einer Box aus einem Kanister etwas in die Wassereimer der Pferde füllte. Der Einbrecher war genauso erschrocken wie sie selbst, ließ den Kanister fallen, der mit dumpfen Gluckern zu Boden fiel, und fluchte laut. Wie Mia es im Abrollen hinbekam, auf den Auslöser der Kamera zu drücken, konnte sie später selbst nicht mehr sagen. Für einen Moment wurde es gleißend hell, als der Blitz auslöste, und dann ging alles sehr schnell. Mit einem Satz sprang der Schatten in die Box von Pegasus, der sich erschrocken aufbäumte, und türmte durch die Luke nach draußen.
Die Geisterreiter auf der Jagd
Als Ben den Blitz im Stall sah, wusste er, dass es brenzlig geworden war. Lara und er wechselten sich mit dem Nachtfernglas ab. Sie sahen eine dunkle Gestalt auf das frisch gepflügte Feld hinter dem Stall laufen. Es schien ein Mann zu sein. Irgendetwas zerrte sie jetzt hinter einem Gebüsch hervor. Wenig später hörten sie ein Motorrad starten.
»Er fährt über das Feld Richtung Waldweg«, flüsterte Ben, der den Einbrecher im Visier hatte. Das Motorrad war eines dieser Motocrossräder, mit denen man auch in unebenem Gelände gut vorwärtskam. Vorausgesetzt, man hatte nicht so viel Übergewicht wie der Einbrecher, der jetzt versuchte, sich einen Weg über das Feld zu bahnen. Lara linste durch das Fernglas, das Ben ihr hinhielt.
»Wirklich schnell ist der aber nicht.«
»Dafür Mia und Tommy umso mehr«, staunte Ben, als er sah, wie die beiden jetzt aus dem Stall schossen.
Mia jagte auf Flocki aus dem Stall, gefolgt von Tommy auf Pegasus. Mia hatte ihrem Pferd innerhalb einer Minute das Zaumzeug angelegt und Tommy war nicht weniger flink gewesen. Beide ritten auf den blanken Pferderücken. Nachdem der Einbrecher getürmt war, hatten sie alle Wassereimer der Pferde umgeworfen, denn sie hatten nur einmal kurz an dem zurückgelassenen Kanister schnuppern müssen, um zu wissen, dass da etwas ganz Übles drin sein musste. War es die Aufregung, die Tatsache, dass der Mann vor ihnen geflohen war oder dass sie es geschafft hatten, ein Beweisfoto von ihm zu schießen? Jedenfalls hatten sie auf einmal Mut gefasst und wollten ihn dieses Mal nicht entkommen lassen. Und so
Weitere Kostenlose Bücher