Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatz im Silbersee

Der Schatz im Silbersee

Titel: Der Schatz im Silbersee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
legten sich alle nieder, um die Strecke von hundert Schritten kriechend zurückzulegen, bis sie sich dem Lager gegenüber befanden.
    Die größte Schwierigkeit dabei lag in der Überwindung des Umstandes, daß sich so viele Menschen auf engem Raum zusammengedrängt bewegen mußten, und zwar vollständig unhörbar. Als sie nun nebeneinander lagen, den Menschen und Pferden gegenüber, begannen die letzteren doch unruhig zu werden. Es galt, schnell zu handeln. Von einem leisen Überschreiten des Wassers konnte keine Rede sein.
    »Vorwärts!« erklang die unterdrückte und doch von allen Roten vernehmbare Stimme des »großen Wolfes«.
    Das Flüßchen wurde schnell übersprungen. Keiner der Weißen war noch wach; sie lagen alle im ersten Schlafe. Die nun folgende Scene ist nicht zu beschreiben. Die Bleichgesichter lagen nahe bei einander, so daß die dreihundert Indianer gar nicht Raum für ihre Bewegungen hatten. Ihrer fünf und sechs und noch mehr warfen sich auf einen Weißen, rissen ihn empor und schleuderten den Schlaftrunkenen den hinter ihnen Stehenden zu, um augenblicklich einen zweiten, dann dritten und vierten zu erfassen. Das kam über die Schlafenden so schnell, daß sie sich in der Gewalt der Indianer befanden, ehe sie nur recht wach geworden waren.
    Und ganz entgegengesetzt dem Brauche der Indianer, jeden Angriff mit einem Kriegsgeheule zu begleiten, arbeiteten diese Utah fast vollständig lautlos, und erst dann, als die Weißen laut wurden, erhoben auch sie ihr gellendes Geschrei, welches weithin durch die Nacht erklang und von den Wänden des Canons vervielfältigt zurückgeworfen wurde.
    Dabei gab es ein Gewühle von Körpern, Armen und Beinen, welche in der Finsternis nicht voneinander zu unterscheiden waren. Nur drei einzelne Gruppen waren trotz der Dunkelheit einigermaßen zu erkennen, drei Gruppen, welche nicht weit voneinander entfernt sich hart an der Felsenwand bewegten.
    Die Mittelpunkte derselben waren Old Firehand, Old Shatterhand und Winnetou, welche infolge ihrer großen Geistesgegenwart und Erfahrenheit nicht in der Weise wie die andern hatten überrumpelt werden können. Sie waren aufgesprungen und hatten mit dem Rücken gegen die Felswand Deckung gesucht. Nun vertheidigten sie sich mit den Messern und Revolvern gegen die übermächtigen Feinde, welche sich ihrer Klingen nicht bedienen durften, weil die Weißen lebendig gefangen werden sollten. Die drei mußten doch trotz ihrer berühmten Geschicklichkeit, Gewandtheit und Körperkraft unterliegen. Sie wurden von den Roten so eng umdrängt, daß es ihnen schließlich unmöglich wurde, die Arme zur Abwehr zu bewegen. Sie wurden auch niedergewürgt und wie ihre Gefährten gebunden. Ein markdurchdringendes Geheul der Roten verkündete, daß der Überfall gelungen sei.
    Nun gebot der »große Wolf«, ein Feuer anzuzünden. Als die Flamme desselben den Kampfplatz beleuchtete, ergab es sich, daß unter den Stichen und Schüssen der drei vorhin Genannten über zwanzig Rote verwundet oder gar getötet worden seien.
    »Dafür sollen diese Hunde zehnfache Qualen erdulden!« zürnte der Häuptling. »Wir schneiden ihnen das Leder in Streifen vom Leibe. Sie alle sollen eines schauderhaften Todes sterben, und nicht einer von ihnen wird die Sterne des morgenden Abends schauen. Nehmt die Toten, die Pferde und die Waffen der Bleichgesichter. Wir müssen zurückkehren.«
    »Wer soll die Wunderbüchse des weißen Jägers anrühren?«
    fragte einer. »Sie geht von selber los und tötet denjenigen, welcher sie angreift, und noch viele andre dazu.«
    »Wir lassen sie liegen und errichten auf ihr einen Steinhaufen, damit kein roter Mann die Hand an sie legt. Wo ist sie?«
    Man suchte nach ihr, ohne sie zu finden; sie war verschwunden. Als der »große Wolf« Old Shatterhand nach ihr fragte, gab dieser keine Antwort. Als er vorhin im Kampfgewühle erwacht und aufgesprungen war, hatte man ihm den Stutzen aus der Hand gerissen und fortgeschleudert. Der Häuptling ließ Feuerbrände nehmen, um das klare, durchsichtige Wasser des Baches zu beleuchten. Derselbe war so seicht, daß man jedes auf seinem Grunde liegende Steinchen erkennen konnte, aber der Stutzen wurde nicht gesehen. Die Yampa-Utahs hatten das Gewehr am Tage in den Händen Old Shatterhands gesehen und konnten das
    Verschwinden desselben nicht begreifen. Vielleicht lag es in der Felsenspalte. Man untersuchte diese eine weite Strecke hinein, natürlich mit Hilfe von Bränden, doch auch vergeblich. Die Folge

Weitere Kostenlose Bücher