Der Schatz im Silbersee
frisch seid und gut marschieren könnt.«
Dieser Weisung wurde Folge geleistet. Es herrschte überhaupt infolge der großen Hitze auf dem Schiffe eine ganz ungewöhnliche Stille und Ruhe. Die Landschaft rechts und links des Flusses bot nichts, was die Aufmerksamkeit der Passagiere auf sich zu ziehen vermochte, und so verbrachte man die Zeit schlafend oder wenigstens in jenem Hindämmern, welches das Mittelding zwischen Schlafen und Wachen ist und weder dem Körper noch dem Geiste eine wirkliche Erholung gewährt.
Erst gegen Abend, als die Sonne sich dem Horizonte näherte, gab es wieder Bewegung auf dem Deck. Die Hitze hatte nachgelassen und ein leidlich frischer Luftzug war wach geworden. Die Ladies und Gentlemen kamen aus ihren Kabinen, um diese Frische zu genießen. Auch der Ingenieur befand sich unter ihnen. Er hatte seine Frau und Tochter mit, welch letztere sich von ihrem Schrecken und dem unfreiwilligen Wasserbade vollständig erholt hatte. Diese drei Personen suchten die Indianer auf, da die beiden Damen denselben noch nicht gedankt hatten.
Der alte und der junge Bär hatten den ganzen Nachmittag mit echt indianischer Ruhe und Unbeweglichkeit auf derselben Kiste zugebracht, auf welcher sie schon gesessen hatten, als sie von Tante Droll begrüßt worden waren. Sie saßen auch jetzt noch da, als der Ingenieur mit Frau und Tochter zu ihnen kam.
»He - el bakh schai - bakh matelu makik - jetzt werden sie uns Geld geben,« sagte der Vater in der Tonkawasprache zu seinem Sohne, als er sie kommen sah.
Sein Gesicht verfinsterte sich, da die von ihm angegebene Art und Weise der Dankbarkeit für einen Indianer eine Beleidigung ist. Der Sohn hielt die rechte Hand, mit dem Rücken nach oben gerichtet, vor sich hin und ließ sie dann rasch sinken, was soviel bedeutet, daß er mit seinem Vater nicht derselben Ansicht sei. Sein Auge ruhte mit Wohlgefallen auf dem Mädchen, welches er gerettet hatte. Dieses kam mit raschen Schritten auf ihn zu, nahm seine Hand zwischen die ihrigen beiden, drückte sie herzlich und sagte: »Du bist ein guter und mutiger Knabe. Schade, daß wir uns nicht nahe wohnen, ich würde dich lieb haben.«
Er sah ihr ernst in das rosige Gesichtchen und antwortete:
»Mein Leben würde dir gehören. Der große Geist diese Worte hören, er wissen, daß sie wahr sind.«
»So will ich dir wenigstens ein Andenken geben, damit du dich meiner erinnerst. Darf ich?«
Er nickte nur. Sie zog einen dünnen Goldring von ihrem Finger und steckte ihm denselben an den linken kleinen Finger, an welchen er gerade paßte. Er blickte auf den Ring und dann auf sie, griff unter seine Zunidecke, nestelte etwas vom Halse los und gab es ihr. Es war ein kleines, starkes, viereckiges Lederstück, weiß gegerbt und glatt gepreßt, auf welches einige Zeichen eingepreßt waren.
»Ich dir auch geben Andenken,« sagte er. »Es ist Totem von Nintropan-homosch, nur Leder, kein Gold. Aber wenn du kommen in Gefahr bei Indianer und es vorzeigen, dann Gefahr gleich zu Ende. Alle Indianer kennen und lieben Nintropan-homosch und gehorchen sein Totem.«
Sie verstand nicht, was ein Totem sei und welch einen großen Wert es unter Umständen haben kann. Sie wußte nur, daß er ihr für den Ring ein Stück Leder als Gegengabe schenkte; aber sie zeigte sich nicht enttäuscht. Sie war zu mild- und gutherzig, als daß sie es über das Herz gebracht hätte, ihn durch die Zurückweisung seiner scheinbar armseligen Gabe zu kränken.
Darum band sie sich das Totem um den Hals, wobei die Augen des jungen Indianers vor Vergnügen leuchteten, und antwortete: »Ich danke dir! Nun besitze ich etwas von dir und du hast etwas von mir. Das erfreut uns beide, obgleich wir uns auch ohne diese Gaben nicht vergessen würden.«
Jetzt bedankte sich auch die Mutter des Mädchens und zwar durch einfachen Händedruck. Dann sagte der Vater: »Wie soll nun ich die That des kleinen Bären belohnen? Ich bin nicht arm; aber alles, was ich habe, wäre zu wenig, für das, was er mir erhalten hat. Ich muß also sein Schuldner bleiben, aber auch sein Freund dazu. Nur ein Andenken kann ich ihm geben, mit welchem er sich gegen seine Feinde schützen kann, wie er meine Tochter gegen den Panther verteidigt hat. Wird er diese Waffen nehmen? Ich bitte ihn darum.«
Er zog zwei neue, sehr gut gearbeitete Revolver, deren Kolben mit Perlmutter ausgelegt waren, aus der Tasche und hielt sie ihm entgegen. Der junge Indianer brauchte sich keinen Augenblick über das, was er zu thun
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