Der Schatz in der Drachenhöhle
die Sintflut
ein. Es wurde Nacht, so hatte sich der Himmel verfinstert. Im nächsten Moment
goß es wie aus Kübeln.
Obwohl sich alle ins Zelt flüchteten,
blieb nur Gaby — die als erste hinein kroch — halbwegs trocken. Tarzan, der als
letzter Einlaß begehrte, war wie aus dem Wasser gezogen, was er aber als recht
erfrischend empfand.
Wie Heringe lagen sie dann zu viert im
Dreier-Zelt: bäuchlings, den Kopf aufgestützt. Sie blickten in die
Wassermassen, die vom Himmel stürzten, Blätter von den Büschen fetzten und auf
das Zelt trommelten. Der Fluß schäumte, als hätte eine Fabrik für Badezusätze
ihre gesamte — nach Fichtennadel, Rosmarin und Lavendel duftende — Produktion
hineingeleitet.
„Ich find’s gemütlich hier“, meinte
Klößchen. „Hoffe nur, meine Schokolade weicht nicht auf.“
Tarzan biß sich auf die Lippen. „Verdammter
Mist!“
Gaby, die neben ihm lag und Oskar im
Arm hatte, sagte: „Wir verlieren zuviel Zeit, nicht wahr?“
„Nie können wir das aufholen.“
„Dann sollten wir nachher in
vernünftigem Tempo weiterpaddeln“, schlug Klößchen vor. „Da es ja ohnehin
keinen Zweck hat und...“
„Wir werden alles daransetzen, um vor
der Frau am Drachenkopf zu sein.“
Tarzans Ton ließ keine Diskussion zu.
Klößchen kannte das und fügte sich.
Gaby, deren Schulter Tarzans Schulter
berührte, dachte: Wenn er sich was in den Kopf setzt, kennt er kein Zurück und
keine Rücksicht. Jedenfalls läßt er sich von so einer bleiernen Ente wie
Klößchen nicht aufhalten. Ist ja auch schlimm, daß wir den Schatzplan verloren
haben.
Sie beobachteten das Unwetter. Der
Regen war dicht wie ein Vorhang und tauchte alles in dunstiges Grau. Der Fluß
schwoll an. Die Vögel hatten sich unter Büsche geflüchtet. Es blitzte jetzt
ohne Unterlaß. Donner grollte. Die Luft roch nach Schwefel.
Oskar hatte sich mit unmutigem Grunzen
in den Hintergrund des Zeltes zurückgezogen, wo er sich quer über Gabys und
Tarzans Beine streckte, nicht ohne beiden liebevoll über die Waden zu lecken.
Tarzan ließ seine Uhr nicht aus dem
Auge. Aber das beeindruckte Petrus überhaupt nicht. Anderthalb Stunden hielt
das Unwetter an. Als endlich der Himmel aufklarte, umflossen kleine Bäche das
Zelt.
Die Freunde zogen Turnschuhe und Socken
aus, wateten barfuß im aufgeweichten Boden, bauten das Zelt ab und verstauten
es — klatschnaß — im Kanu. Der Innenraum war trocken geblieben. Die Persennings
hatten gehalten.
Tarzan trieb zur Eile an. Wieder auf
dem Wasser, gebrauchte er sein Paddel wie ein Olympia-Sieger.
Seine Freunde gaben ihr Bestes, dennoch
wurde es später und später, ohne daß Kehlbrück in Sicht kam.
Erst gegen 20 Uhr abends tauchten in
der Ferne Häuser auf. Die Flußlände war betoniert: ein richtiger Hafen.
Motorboote, kleine Segeljachten und Ruderboote dümpelten an ihren Liegeplätzen.
Und ein Schild verkündete unmißverständlich: KEHLBRÜCK.
Ein Mann, der das Regenwasser aus
seinem Ruderboot lenzte (leerpumpen ), erklärte, es gäbe weiter vorn
einen Campingplatz für Kanuten.
Dort gingen die Freunde an Land. Karl
und Klößchen mußten hier bleiben und Boot und Ausrüstung bewachen. Gaby und
Tarzan zogen rasch ihre Jeans-Anzüge an, um unterwegs nicht wie Stromer
auszusehen, nahmen Oskar an die Leine und liefen in den Ort, ein kleines,
malerisches Städtchen mit jahrhundertealten Häusern, die sicherlich unter
Denkmalschutz standen.
Sie fragten sich zum Busbahnhof durch.
Dort erlebten sie eine schlimme
Überraschung.
Der letzte Bus nach Obersalau war vor
einer halben Stunde abgefahren. Heute fuhr keiner mehr, der nächste erst morgen
früh.
„Ein Taxi scheidet aus“, Tarzan preßte
die Lippen aufeinander. „Das können wir nicht bezahlen.“
„Wollen wir’s per Anhalter versuchen?“
Gabys Blauaugen strahlten ihn an. „Allein täte ich das nie. Aber mit dir...“
„Warum nicht. Allerdings sind die
Aussichten gering. Zu zweit! Und dann noch mit Oskar!“
„Zurücklassen kann ich ihn nicht. So
gern er Karl und Klößchen mag — er würde ausreißen und mich suchen.“
Am Ortsausgang, wo die Schnellstraße
nach Obersalau führte, stellten sie sich auf. Auf dem gelben Richtungsschild
war vermerkt, daß die Entfernung 46 Kilometer betrug.
Tarzan hielt sich mit Oskar im
Hintergrund. Gaby blieb am Fahrbahnrand und hob winkend die Faust mit aufwärts
gerichtetem Daumen.
Drei einzelne Fahrer hielten — aber nur
bis sie merkten, daß Gaby nicht allein war. Dann
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