Der Schatz von Blackhope Hall
ich kann mir nicht vorstellen, in Howard Babington hätte eine fremde Macht gesteckt."
"Was wir mit unseren Sinnen wahrgenommen haben, lässt sich nicht leugnen", argumentierte sie. "Irgendwie wurden wir in den Kampf hineingezogen, den John und seine geliebte Lady Alys vor vielen hundert Jahren gegen den Ehemann der unglücklichen Frau führten."
"Es fällt mir immer noch schwer, daran zu glauben. Aber selbst wenn es wirklich so wäre – wie sollen wir diesem Treiben ein Ende bereiten?"
"Da hätte ich eine Idee …", begann Olivia vorsichtig. "Als ich das goldene Kästchen ergriff, sah ich – dafür fällt mir kein besseres Wort ein – Lady Alys, ihren Liebsten und ihren Ehemann. Wenn ich die Schatulle noch einmal in meinen Händen halte – vielleicht würden wir etwas mehr beobachten, herausfinden, was wirklich geschah, und den Spuk beenden."
"Nein", protestierte Stephen, "das erlaube ich nicht. Erinnern Sie sich, Lady Olivia? Damals wurde Ihnen übel, und Sie verloren die Besinnung."
"Weil ich einen Schock erlitt. Jetzt wäre ich auf alles vorbereitet, und es würde mir nichts ausmachen. Bitte, wir müssen es versuchen."
Im Lauf einer hitzigen Debatte stellte sich Bellard Moreland auf Olivias Seite. Doch er vermochte den Earl nicht umzustimmen.
"Was Ihrer Nichte widerfahren ist, haben Sie nicht miterlebt", betonte Stephen, "im Gegensatz zu mir. Diesem Schrecken werde ich sie nicht noch einmal ausliefern."
"Es ist meine Entscheidung, nicht wahr, Sir?" meinte sie. "Sollte mir etwas zustoßen, wären Sie in der Nähe und könnten mir beistehen. Danach hatte ich leichte Kopfschmerzen, das war alles. Ein geringer Preis für die Gelegenheit, endlich festzustellen, was vor so langer Zeit wirklich geschehen ist …"
In diesem Moment erschien Rafe in der Tür. Unbehaglich teilte er seinem Freund mit: "Miss Valenskaya ist verschwunden."
"Was?" rief Stephen.
"Jedenfalls konnte ich sie nirgends finden. Erst schaute ich in ihrem, dann in Mr. Babingtons Zimmer nach. Dort erzählte mir eine Dienerin, Irina sei vor einer Weile da gewesen, habe sie weggeschickt und sich erboten, bei dem Patienten zu bleiben. Danach wurde sie nicht mehr gesehen."
"Verdammt!" fluchte Stephen. "Nun müssen wir schon wieder einen Suchtrupp zusammentrommeln und …"
"Lord St. Leger", fiel Olivia ihm ins Wort, "sicher ist unser Experiment wichtiger. Wenn Madame Valenskaya die Wahrheit gesagt hat … Ganz egal, ob wir glauben oder nicht, dass Ihre Tochter etwas Böses in diesem Haus heraufbeschwört – wir dürfen diese Möglichkeit auf keinen Fall außer Acht lassen. Bitte, gestatten Sie mir einen Versuch."
Widerstrebend gab er nach.
Während Großonkel Bellard und Rafe aufbrachen, um Irene zu suchen, stiegen Olivia und Stephen die Treppe zu dem Gästezimmer hinauf, das an die Geheimkammer grenzte. Vor der Tür hielt immer noch ein Lakai Wache.
Sie traten ein, und Olivia guckte angstvoll zu der Wand hinüber, hinter der sich der unheimliche Raum verbarg. Ihr graute vor dem Ort, an dem Pamela gestorben war. Stephen folgte der Richtung ihres Blicks. "Keine Bange, wir müssen nicht hineingehen. Ich hole das Kästchen heraus."
Erleichtert seufzte sie auf. Schon vor Pamelas Tod war sie vor der dunklen Kammer zurückgeschreckt. "Warum hast du es da drin gelassen?"
"Weil ich nicht wusste, wohin ich es bringen sollte. Vermutlich hat Pamela der tückischen 'Irina' nicht verraten, wie man die Geheimtür öffnet, denn sie wollte den ganzen Märtyrerschatz für sich behalten. Solange draußen ein Wächter steht, wird niemand hier hereingelangen. Aber ich kann nicht ständig einen Lakaien vor dem Gästezimmer postieren, und deshalb ist die Kassette in der unzugänglichen Kammer am besten aufgehoben. Vielleicht hätte ich sie schon längst in den Tresor stellen sollen."
Sie setzte sich auf das Bett, und Stephen betätigte den versteckten Mechanismus der Tür. Wenig später stellte er das Kästchen neben Olivia auf die Matratze.
Einige Sekunden lang starrten sie die Schatulle wortlos an. Dann stand Olivia auf und berührte sie. Nichts geschah, und sie fühlte sich ein bisschen albern.
"Vielleicht solltest du einen der Gegenstände herausnehmen", schlug Stephen vor.
"Also gut." Nach kurzem Zögern öffnete sie die Schließe, ergriff den Rosenkranz, und plötzlich strömte eine Feuerwelle durch ihren Körper.
Stephen sah sie zusammenzucken. Instinktiv umfasste er ihre Hand, mit der sie die goldenen Perlen festhielt. Da spürte auch er die
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