Der Schatz von Blackhope Hall
geben."
"Was ist dieser Märtyrerschatz? Warum haben es die drei darauf abgesehen?"
"Nachdem meine Ahnen vor einigen Jahrhunderten hierher gezogen waren, fanden sie den Schatz. Die Elisabethaner waren begeisterte Bauherrn, und die ersten St. Legers ergänzten das ursprüngliche Haus durch mehrere Trakte. Dazu zählt unter anderem ein Teil des jetzigen Hauptflügels. Außerdem renovierten sie mehrere Räume des alten Gebäudes, und dabei stießen sie auf ein Geheimzimmer."
"Wirklich?" fragte Olivia fasziniert.
Stephen nickte. "Als der erste Earl eine Mauer durchbrechen ließ, geriet er in eine kleine Kammer zwischen zwei Räumen. Erst danach entdeckte er eine geschickt verborgene Tür und stellte fest, wie sie geöffnet und geschlossen werden konnte. In dieser Kammer stand eine Kassette, mit verschiedenen goldenen Kostbarkeiten gefüllt. Unter anderem fand mein Ahnherr das goldene Kreuz darin, das Madame Valenskaya erwähnt hat, mit einem Cabochon-Rubin in der Mitte. Offenbar hatten die goldenen Gegenstände Lord Scorhill gehört, dem gemarterten Katholiken, und so entstand der Name 'Märtyrerschatz'. Vielleicht war das Geheimzimmer ein Schlupfwinkel für verfolgte Priester gewesen, oder Lord Scorhill ließ es einbauen, um die Juwelen zu verwahren. Niemand kannte den Grund. Ich nehme an, er versteckte den Schatz in der Hoffnung, er würde mit seiner Familie die Freiheit erhalten, sie könnten in ihr Haus zurückkehren, und das Gold wäre unangetastet. Leider kam es nicht dazu."
"Wie traurig …" Eine Zeit lang dachte Olivia schweigend nach. "Aber warum will sich Madame Valenskaya diesen Schatz aneignen? Wieso verlangt sie kein Geld oder andere Juwelen?"
Stephen zuckte mit den Schultern. "Vermutlich, weil sich mit dem Gold eine interessante Geschichte verbindet – die Märtyrerfamilie, die rastlosen Geister und so weiter. Sie möchte meine Mutter mit einer bewegenden romantischen Legende umgarnen. Dahinter steckt auch eine gewisse Logik, während es abwegig erscheinen würde, unser Familiensilber oder die St.-Leger-Smaragde zu fordern. Der Inhalt der Kassette ist nicht so exquisit wie die Schmucksammlung im Tresor, aber in gewissen Kreisen bekannt, was auf die anderen Stücke nicht zutrifft. Und da die goldenen Kunstwerke über dreihundert Jahre alt sind, müssten sie im Wert steigen." Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: "Jedenfalls war's ein Fehler der niederträchtigen Bande, ausgerechnet auf den Märtyrerschatz zu verfallen."
"Weshalb?"
"Weil meine Mutter ihn gar nicht hergeben kann. Sie besitzt mehrere Halsketten und Ringe, Geschenke meines Vaters. Aber der Märtyrerschatz, ein Teil des St.-Leger-Vermögens, gehört dem gegenwärtigen Familienoberhaupt. Von jeder Generation ging er auf die nächste über. Der erste Earl beschloss die Geheimkammer mit der verborgenen Tür zu nutzen und ließ das Kästchen darin stehen. Nur der Hausherr weiß, wo sich der Raum befindet und wie man hineingelangt. Das teilte jeder Earl seinem Erben mit, sobald dieser volljährig war."
"Also haben deine Vorfahren stets besonderen Wert auf den Schatz gelegt."
"Oh ja. Nur ich könnte der Russin den Schatz übereignen. Meine Mutter würde ihn gar nicht finden."
"Vielleicht kennt Madame Valenskaya die Zusammenhänge nicht. Oder sie hofft, Lady St. Leger wird dich veranlassen, die Kassette herauszurücken."
"Wenn meine Mutter das versuchen würde, wäre es mir sehr unangenehm. Nicht einmal ihr zuliebe dürfte ich den Schatz verschenken, was ihr zweifellos bewusst ist. Die St. Legers halten es für ihre Pflicht, das Gold an einem sicheren, geheimen Ort zu verwahren. Im Lauf der Jahre hat sich eine abergläubische Überzeugung entwickelt – nur wenn der Schatz in Blackhope bleibt, wird die Familie von allem Unheil verschont. Nach dem Tod meines Vaters trat Roderick das Erbe an, und da gab es ein Problem. Da mein Bruder keinen Sohn bekam, hätte er mir die Geheimkammer zeigen und den Mechanismus der Tür erklären müssen. Aber ich lebte bereits in den Vereinigten Staaten. Ein paar Jahre lang kannte nur Roderick das Geheimnis. Wäre er damals gestorben, hätte er sein Wissen womöglich mit ins Grab genommen."
"Und wie hast du davon erfahren?"
"Roderick erläuterte in einem Brief an mich, wo die Kammer liegt und wie sich die Tür öffnen lässt. Dieses Schreiben versiegelte er und übergab es seinem Anwalt, der es mir aushändigen sollte, falls sein Klient vor meiner Rückkehr aus Amerika sterben würde. Genau das ist
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