Der Schatz von Blackhope Hall
stellte das Kästchen aufs Bett und hob den Deckel hoch. Darin schimmerten goldene Gegenstände. Lady Alys nahm eine Halskette aus goldenen Perlen und ein Kreuz von der Größe ihrer Hand heraus, mit einem dunkelroten Stein in der Mitte. Beides legte sie aufs Bett. In der Kassette funkelte ein Durcheinander aus Goldketten und mehreren Ringen, einige ziseliert, andere mit bunten Steinen. Nun öffnete sie eine große hölzerne Truhe und zog einen langen Gürtel aus goldenen Gliedern heraus. In den drei mittleren Gliedern steckten glänzende Edelsteine. Vorsichtig rollte sie den Gürtel zusammen und verstaute ihn in der goldenen Kassette, legte das Kreuz und die goldene Halskette wieder hinein und schloss den Deckel.
Plötzlich erklang ein schrilles Geschrei. Sie eilte zum schmalen Fenster und spähte hinaus. "Soldaten!" rief sie erschrocken. "Soldaten im Burghof!"
Sekunden später befanden sie sich in einem anderen Raum mit runden Wänden. Ein Turmzimmer, stellte Olivia fest. Beißender Rauch breitete sich aus. Im Hof klirrten Schwerter, vermischt mit gellenden Männerstimmen. Blut und Schmutz befleckten Lady Alys zerrissene Kleidung. Von immer dichterem Rauch eingehüllt, begann sie zu husten. Als Olivia die Angst der Frau spürte, verengte sich ihre eigene Kehle. Von wachsendem Entsetzen erfasst, glaubte sie zu ersticken. Sie öffnete die Augen, und da erkannte sie, dass sie nicht mehr in einem Turmzimmer stand, sondern in ihrem Bett lag. Aber sie konnte noch immer nicht atmen. Etwas Schweres, Dunkles erfüllte den Raum, lastete auf ihrer Brust und presste die Luft aus ihren Lungen.
Vergeblich versuchte sie, sich zu bewegen, und geriet in Panik. Das bleischwere Etwas, das ihr den Atem nahm, drohte sie zu zerquetschen … zu töten …
Endlich schüttelte sie die Erstarrung ab und schwenkte beide Arme umher. Sie holte tief Atem, sprang schreiend aus dem Bett und schlug um sich. Nirgendwo stieß sie auf Widerstand, nichts engte sie ein, außer den zerknüllten Laken, die ihren Körper umschlangen. Aber die Angst verflog nicht. Sie streifte die Leintücher ab und eilte zur Tür, riss sie auf und taumelte in den Flur.
Stephen stürmte aus seinem Zimmer, nur mit einer Hose bekleidet, in die er hastig geschlüpft war. "Was ist denn los, Olivia?"
"Oh Stephen!" Kraftlos sank sie an seine nackte Brust, und er hielt sie fest, streichelte ihr Haar und neigte den Kopf hinab. Beschwichtigend sprach er auf sie ein.
Während sie sich an ihn klammerte, ließ die Furcht langsam nach. Könnte sie doch für immer im Schutz seiner starken Arme verweilen … Doch sie zwang sich zurückzutreten. Seufzend schaute sie sich um.
Zu beiden Seiten des Flurs hatten sich andere Türen geöffnet. Lady St. Leger, Belinda und Irina Valenskaya spähten interessiert zu ihr herüber. Verlegen strich sich Olivia das wirre Haar aus dem Gesicht. "Tut mir Leid, ich habe mich so töricht benommen."
"Mach dir deshalb keine Sorgen", flüsterte Stephen, umfasste ihren Ellbogen und führte sie in ihr Zimmer zurück, um sie vor den neugierigen Blicken zu bewahren. Er zündete eine Lampe an und drehte den Docht höher, um die Finsternis zu vertreiben. "Und jetzt erzähl mir, was geschehen ist."
Olivia erschauerte in der Kälte. Erst jetzt erkannte sie, dass sie nur ihr Nachthemd trug. Errötend nahm sie ihren Morgenmantel von der Lehne eines Stuhls und zog ihn an. "Ein … ein böser Traum."
"Wovon hast du geträumt?" Ernsthaft und eindringlich guckte er ihr in die Augen.
"Von Lady Alys."
"Meinst du die Frau, die wir in unserem gemeinsamen Traum gesehen haben?" fragte er verblüfft.
"Ja. Sie packte Kleidungsstücke in eine Truhe … Plötzlich gerieten wir in einen anderen Raum – so wie es manchmal in Träumen vorkommt. Wir standen in einem Zimmer mit runden Wänden, und Lady Alys Kleider waren voller Blut, schmutzig und zerrissen. Von draußen drang Schlachtenlärm herein – und ätzender Rauch, der mich zu ersticken drohte. Und dann erwachte ich in meinem Bett. Aber ich bekam noch immer keine Luft."
"Was?"
"Oh Stephen, ich weiß nicht, wie ich es erklären soll … Jedenfalls presste sich irgendetwas auf meine Brust, und ich konnte nicht atmen. Und ringsum dieses schwarze Dunkel. Darin spürte ich etwas Böses, Bedrohliches. Und ich erkannte, dass es meinen Tod wünschte. Eisiges Grauen lähmte meine Glieder …"
"Mein Gott! Und du warst wach ?"
"Das glaubte ich zumindest. Wahrscheinlich träumte ich immer noch. Nach einer Weile konnte ich
Weitere Kostenlose Bücher