Der Schatz von Dongo
auf die Amerikaner, den sie empfanden, und ich mußte als
Prügelknabe für die gesamte Army herhalten.
Es war einfach unglaublich, daß dies Franzosen waren und keine
Deutschen. Ich schwöre Ihnen, sie hätten mich totgeschlagen, wenn nicht
Paul in diesem Moment erschienen wäre. Er kam von der entgegengesetzten
Seite, ebenfalls mit einem Jeep. Seine Scheinwerfer erfaßten die Szene,
und dann zeigte Paul die schnellste Reaktion, die ich jemals gesehen
habe. Er zögerte nicht eine Sekunde, sondern quetschte seinen Jeep
irgendwie zwischen Felsbrocken und Straßenrand hindurch und fuhr
einfach weiter, mitten in dieses Rattenpack hinein. Er muß sie mit
dreißig Meilen Geschwindigkeit genommen haben, denn sie flogen wie die
Frösche nach allen Richtungen durch die Luft. Ich weiß bis heute nicht,
wieso er mich nicht überfahren hat, aber er tat es eben nicht. Dann
sprang er mit seiner Automatic aus dem Jeep, zog mich mit dem freien
Arm vom Boden hoch, packte mich in den Jeep, gab ein paar Feuerstöße
ab, damit die Frösche, die laufen konnten, noch schneller liefen, und
hatte mich zwanzig Minuten später im Lazarett. Es dauerte drei Monate,
bis ich wieder zusammengeflickt war. So haben wir beide uns
kennengelernt.«
Sie hatten Dan so zugerichtet, daß ich sechs Wochen lang keine
Ahnung hatte, wie er wirklich aussah. Doch als im April die Alliierten
in Mailand einrückten, war er wieder auf den Beinen. Ich kam mit der
Vorhut und arbeitete gerade am letzten Teil eines langen,
zusammenfassenden Rückblicks auf den Luftkrieg über Italien. Zu jenem
Zeitpunkt entdeckte das Alliierte Oberkommando, daß der italienische
Staatsschatz verschwunden war, und stellte das Untersuchungsteam
zusammen. Die Sache faszinierte mich, und ich meinte, es wäre bestimmt
interessant, ein paar Wochen oben an den Seen zu verbringen. So
schaffte ich es, in das Team zu kommen. Die Briten delegierten einen
Major Ted Middlekey, die Franzosen einen Capitaine Lefèvre, die
Holländer einen Widerstands-Kommandeur namens Bis de Jong und die
italienischen Partisanen den Deputierten Arnoldo Disio.
Wir fünf plus Enrico, einem ehemaligen Partisanenhauptmann,
den wir als Assistenten einstellten, verbrachten ungefähr eine Woche in
Mailand damit, verschiedene Spuren aufzunehmen, Aussagen anzuhören und
allgemein einen Modus operandi zu entwerfen. Ted Middlekey, der
Engländer, übernahm die Leitung. Er war bei Scotland Yard gewesen und
unverkennbar ein Profi auf dem Gebiet der Ermittlung. Wir anderen
dagegen waren mehr oder weniger reine Amateure. Bis de Jong kam
immerhin von der Spionage-Abwehr, Lefèvre von einem
Unterwasser-Sprengkommando – wo blieb nur die gallische Logik
bei seiner Ernennung? – und Disio war Verbindungsmann zwischen
der französischen und der italienischen Widerstandsbewegung gewesen.
Indem wir Leute aufspürten, die im Zusammenhang mit dem Schatz
in Mailand Schlüsselpositionen innegehabt hatten, erfuhren wir nach und
nach weitere Einzelheiten und stießen auf Spuren, die wir verfolgen
konnten. Der Kassenverwalter des faschistischen Polizeichefs, ein Mann
namens Raffaele La Greca, machte eine sehr wichtige Aussage:
»Im Jahre 1944 benutzte Mussolinis Regierung den Geheimfonds
des Polizeichefs, um große Mengen ausländischer Valuta und Gold
aufzukaufen. Die Valuta wurde in der Schweiz erworben, das Gold stammte
aus verschiedenen Juweliergeschäften in Mittelitalien. Das Gold wurde
zum damaligen Preis gekauft und dann zum Teil zu Barren umgeschmolzen.
Der Rest wurde in kleine Säckchen gefüllt und mit Anhängeschildchen
versehen, auf denen die Menge sowie Namen und Adresse des Juweliers
verzeichnet wurden, bei dem es gekauft worden war. Das Ganze war
ziemlich lange bei mir deponiert. Dann kam eines Tages, noch vor
Kriegsende, Finanzminister Pellegrini zu mir und holte alles ab. Er gab
mir eine Quittung dafür.«
Durch diese und ähnliche Aussagen gelangten wir allmählich zu
einer detaillierten Aufstellung des Schatzes. Einer der wichtigsten
Leute, mit denen wir Verbindung aufnehmen konnten, war ein Partisan
namens Pedro, ein Führer der Garibaldi-Brigade, der die Verhaftung in
Dongo geleitet hatte. Er sagte mir, die Nazis hätten noch einen kleinen
Teil des Schatzes in ihren Lastwagen beiseite schaffen können. Sie
hätten jedoch schon sehr bald gemerkt, daß sie durchsucht werden
würden, und alles in den Mera-Fluß geworfen. Ein Fischer hatte offenbar
einiges davon entdeckt und den Partisanen abgeliefert. Als Pedro
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