Der Schatz von Dongo
Gefängniszeitschriften verliebt hatte, waren alle weiblich. Nur
Cadillacs waren männlich. In der Via Condotti fand ich auch ein
schönes, altes Café, dessen Düfte von Kaffee und feinem Gebäck sich im
Laufe der Jahrhunderte in Wänden und Tischen festgesetzt hatten, so daß
das Holz selber jetzt diesen Espresso-Duft auszuströmen schien. Ich
bestellte mir einen capuccino und beobachtete
fasziniert das Ritual des Mannes hinter der Theke. Er klopfte den
alten, nassen Kaffeesatz in eine Holzschublade, füllte frischen,
schwarzen Kaffee nach und hantierte dann an den riesigen Messinghähnen
der Maschine, bis sie frischen, kräftigen Kaffee ausspien, der langsam
in eine Tasse tropfte. Nun wurde Milch in einen Behälter gegossen und
mit dem Dampfstrahl bearbeitet, daß sie hoch aufgischtete. Der dicke
weiße Schaum kam oben auf den holzdunklen Kaffee, und dann wurde das
Ganze mit ein wenig Zimt gekrönt. Dazu eine knusprige, innen schön
lockere commetta , die Menschen
um mich herum alle freundlich, höflich und gut gekleidet – und
in dieser euphorischen Atmosphäre sah ich Gibio praktisch schon einen
Scheck für mich ausschreiben.
Den ganzen Tag bereitete ich mich auf das Zusammentreffen mit
Gibio vor, das um fünf Uhr stattfinden sollte. Ich hatte meine Papiere
(einige Zeitungsausschnitte waren vor Alter vergilbt und brüchig
geworden) auf Bett und Fußboden, die wichtigsten aber auf dem Holztisch
ausgebreitet, den ich als Schreibtisch benutzen mußte. Dabei versuchte
ich mir die Fragen vorzustellen, die Gibio an mich richten würde, und
trat immer wieder vor den Spiegel über dem Waschbecken, um meinem
imaginären potentiellen Geldgeber auf eine imaginäre Erkundigung eine
selbstsichere Antwort zu geben. Hat man erst lange genug allein in
einer Zelle gehaust, akzeptiert man Selbstgespräche ebenso als
Bestandteil des Lebens wie die Masturbation.
Dan kam um Punkt halb fünf. Er wirkte grau und verkatert und
war verdrießlicher, wortkarger Stimmung: ein Mann in einer Situation,
aus der er so schnell wie möglich wieder hinaus möchte. Krumm hockte er
auf dem Fahrersitz, das hübsche Gesicht wie hinter finsteren
Sturmwolken verborgen, und fuhr sogar für römische Verhältnisse höchst
aggressiv, wobei er seine Autokontrahenten bissig anknurrte. Mit mir
dagegen redete er kein einziges Wort, und ich war ihm dankbar dafür,
denn der Gedanke an die bevorstehende Unterredung machte mich so
nervös, daß ich unmöglich eine normale Unterhaltung hätte führen
können. Die Zuversicht, die ich am Morgen noch verspürt hatte, schwand
angesichts der Realität immer mehr dahin, und meine Glieder waren
eiskalt und wie gelähmt.
Dan parkte den Wagen in der Via Ludovisi, einen Block von
Gibios Wohnung entfernt. Als wir ausstiegen, näherte sich uns eine
zerlumpte Zigeunerin mit einem ebenfalls in Lumpen gewickelten Kind auf
dem Arm, das überall an den Beinen und im Gesicht schwärende Wunden
hatte. Ich wollte der Frau ein paar Lire in die ausgestreckte Hand
drücken, doch Dan schob meinen Arm unwirsch beiseite. »Laß das!«
schimpfte er. »Die hat das Kind nur gemietet. Die Wunden werden
absichtlich offen gehalten.« Das war das einzige, was er auf dem ganzen
Weg vom Inghilterra bis zu Gibios Wohnung im obersten Stock des Hauses
Via Ludovisi 21 zu mir sagte.
Constantin Gibio. Bei diesem Namen hatte ich mir einen
dunkelhäutigen, untersetzten Mann vorgestellt – mit getönter
Brille, Brillantring am Finger, unergründlich, weltgewandt, mit starkem
Akzent undefinierbarer Herkunft. Eine Vorstellung, die sich als
hundertprozentig falsch erwies.
Dan und ich wurden von einem mageren, alten Diener in
schwarzer Seidenjacke – sie erinnerte mich an die Jacken der valets de chambre – in einen
kreisrunden, mindestens zehn Meter hohen Salon geführt. Der Raum war
kostbar, doch sparsam möbliert: mit Seidenbrokat bezogene Regency-Sofas
und -Stühle, riesige Schränke aus unglaublich kompliziert eingelegtem,
mit Elfenbein besetztem Holz, die wie majestätische Leibwächter an der
Wand standen, viel freier Raum, so daß sich die einzelnen
Stücke – ein Perlmutt-Schachtisch, ein Sekretär, durch dessen
uraltes Holz sich Adern aus Gold und Silber zogen, eine chinesische
Ebenholzharfe – so auffallend präsentierten wie Schmuck auf
einer Samtunterlage im Schaufenster von Cartier.
Und Constantin Gibio paßte zu dieser Einrichtung. Er war ein
großer, schmaler, asketischer Mann mit zwei sich von der Nase bis zu
den Mundwinkeln
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