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Der Schatz von Dongo

Der Schatz von Dongo

Titel: Der Schatz von Dongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.E. Hotchner
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für mich und die kleine Julietta werden. Das weiß ich
genau.«
    Julietta schloß das Notizbuch und griff nach ihrem Glas. Das
Feuer warf orangefarbenes, die Kerzen gelbliches Licht auf ihre
Gestalt, und ihr Gesicht reflektierte das Rubinrot des Weines. Sie
fragte: »Glauben Sie, daß es für Sie von einigem Nutzen gewesen wäre,
wenn meine Mutter bei Ihrem Prozeß diese Aussage gemacht hätte?«
    »Darüber dachte ich gerade nach. Ich weiß es nicht. Die
Beweise gegen mich waren so stark. Was meinen Sie – warum hat
sie nicht ausgesagt?«
    »Ich glaube, wegen des Zustandes, in dem sie sich nach Vaters
Tod befand. Ihr Verstand war … nun ja, ein wenig verwirrt. Sie
konnte sich immer weniger an die Ereignisse vor seinem Tod erinnern. Es
wurde so schlimm, daß sie mich sogar nach seinem Geburts- und ihrem
Hochzeitstag fragen mußte. Sie sehen also … Wie lange dauerte
es bis zu Ihrem Prozeß? Drei Jahre?«
    »Aber warum nicht sofort nach meiner Verhaftung?«
    »Da war es noch schlimmer. Sechs Monate lang war sie in
ärztlicher Behandlung und konnte weder das Bett verlassen noch Besuch
empfangen.« Ein Blitz durchschnitt den schwarzen Himmel wie ein weißes
Messer, und der erste Donner grollte zu uns herein. Julietta zuckte
zusammen und hielt ihr Glas vor die Brust. »Mein Gott, wie ich diese
Gewitter hier hasse! Das ist auch ein Grund, warum ich nie mehr
hergekommen bin.«
    »Sie hassen sie, und Ihre Mutter hat sie auch gehaßt, nicht
wahr?«
    »Ja. Bei Gewittern schlief ich immer bei meiner Mutter, und
wir trösteten uns gegenseitig.« Wieder schlugen Blitz und Donner zu.
»Wir sollten uns lieber auf den Weg zur Fähre machen. Es ist zwar noch
ein bißchen früh, aber es ist die letzte, deswegen dürfen wir sie nicht
verpassen. Draußen, auf der Küchenveranda, habe ich ein paar alte
Regensachen gesehen. Hier, nehmen Sie das Notizbuch. Können Sie aus
dem, was mein Vater am Telefon sagte, etwas machen? Welcher Freund
könnte das gewesen sein?«
    »Darüber muß ich erst nachdenken. Wir müssen das Ganze in Ruhe
noch einmal lesen und es uns gründlich durch den Kopf gehen lassen.«
    Draußen war es weitaus schlimmer, als ich
gedacht hatte. Der Wind tobte, peitschte den Regen quer vor sich her,
so daß wir überhaupt nichts sehen konnten.
    Julietta klammerte sich fest an meinen Arm, während wir uns
zum Anlegeplatz durchkämpften. Jedesmal wenn es blitzte, krampften sich
ihre Finger in mein Fleisch, und sie stieß ein angstvolles Stöhnen aus.
Ihr Körper wurde von ständigem Zittern geschüttelt.
    Als wir die Anlegestelle der Fähre erreichten, waren wir bis
auf die Haut durchnäßt; der Regen war sogar durch Wettermäntel und
Stiefel gedrungen. Kein Mensch war zu sehen. An der Tür des
Fahrkartenhäuschens hing ein Zettel: ›Fährdienst wegen schlechten
Wetters eingestellt.‹ Das aufgewühlte Wasser überspülte die Bohlen der
Holzrampe.
    Wir machten kehrt. Der Regen fiel jetzt so dicht und fast
horizontal, daß es mir war, als schlucke ich beim Schwimmen in schwerer
See Wasser. Der Regen füllte mir Nase und Mund, und während ich um Atem
rang, merkte ich, daß Julietta dem Ansturm nicht mehr gewachsen war.
Ich nahm den Wetterhut ab, den ich trug, hielt ihn ihr vors Gesicht und
schob sie hinter mich. Sie hielt sich krampfhaft an mir fest; ihr Kopf
war im Windschatten meines Rückens einigermaßen geschützt. Ich drückte
das Kinn fest an die Brust, damit ich atmen konnte, konnte dadurch nun
aber fast nichts mehr sehen, so daß wir uns nur mühsam und stolpernd
gegen den pfeifenden Wind voranarbeiten konnten.
    Dankbar stellte ich fest, daß im Kamin noch eine heiße Schicht
Asche glühte. Julietta lebte rasch wieder auf. Mit einer dicken Kerze
bewaffnet, stöberte sie herum und fand ein paar Decken. So konnten wir
unsere nassen Kleidungsstücke ans Feuer hängen, das wir mit den alten
Birkenscheiten fütterten. Innerlich erwärmten wir uns mit Wein. Der
Sturm ließ zwar immer noch nicht nach, aber die Blitze kamen nicht mehr
so häufig und waren auch weiter entfernt.
    »Haben Sie Hunger?« fragte Julietta. »Ich bin regelrecht
ausgehungert.«
    »Ich auch. Aber hier werden wir kaum etwas dagegen unternehmen
können.«
    »Wir wollen mal nachsehen.«
    Ich folgte ihr in die Küche. Beide hielten wir mit der einen
Hand unsere Decken vor der Brust zusammen und trugen mit der anderen
eine Kerze vor uns her. Mir war fast wie bei der Aufnahme in einen
Geheimbund. Julietta fand einige Pakete Spaghetti, mehrere

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