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Der Schatz von Dongo

Der Schatz von Dongo

Titel: Der Schatz von Dongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.E. Hotchner
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war so elegant in seiner
gestreiften Hose, dem schwarzen Jackett und dem gestärkten weißen
Kragen. Doch lange schon hatte ich gelernt, daß man im Zweifelsfalle in
Italien immer ein Trinkgeld gibt, und aus der schnellen, geschickten
Geste, mit der er die gefalteten Lirescheine verschwinden ließ, sah
ich, daß ich recht getan hatte.
    »Gefällt Ihnen das Zimmer?« fragte ich Julietta, als sich der
junge Mann entfernt hatte.
    »O ja! Ein bißchen komfortabler als letzte Nacht.« Es war das
erstemal, daß einer von uns eine Anspielung auf die vergangene Nacht
machte. Tagsüber hatten wir uns fast ausschließlich über Stoffmuster,
Zuchthausleben, italienische Küche, Autos, von denen sie erstaunlich
viel verstand, Skilaufen, französische Küche, amerikanische Touristen,
italienischen Adel, Film und Fernsehen und Angeln unterhalten.
    »Ach, ich weiß nicht. Mir hat es eigentlich recht gut
gefallen«, entgegnete ich. »Obgleich ein heißes Bad auch seine Vorzüge
hat. Möchten Sie jetzt gern ein bißchen schlafen und später essen?«
    »Nein. Aber wenn Ihnen das lieber ist …«
    »Danke. Ich schlafe tagsüber nie.«
    »Keine Siesta in Santo Stefano?«
    »Nur in der Einzelhaft. Also, bis nachher.« Ich ging auf die
Korridortür zu.
    »Sie können ruhig diese benutzen«, sagte sie. Ich lächelte ihr
kurz zu und ging durch die Verbindungstür, die ich sorgfältig hinter
mir zuzog.
    Als das Türschloß einschnappte, verkrampfte sich mir der
Magen. Ich liebe sie – und sie empfindet ebenfalls etwas für
mich. Ich weiß nicht was, aber etwas empfindet sie.
Wir haben eine Nacht in dieser herrlichen Stadt vor uns, ganz allein,
und wir wohnen nebeneinander. Aber diesmal ist der Blitz nicht dein
Verbündeter, diesmal wird es dir nicht gelingen, dem ›Augenblick der
Wahrheit‹ auszuweichen. Wenn du sie wirklich liebst, wirst du sie
diesmal lieben müssen, wie eben ein Mann eine Frau liebt, aber du wirst
dich doch wieder nur in Gallert und Schweiß auflösen. Und dann? Was
soll diese Quälerei? Wie oft hat dir Iris' verzweifelter Aufschrei in
den Ohren geklungen? Wie oft muß sich dies noch wiederholen, bevor dir
endlich klar wird …
    Na schön, es ist mir klar! Glaubst du, ich
habe das hier gewollt? Habe ich nicht versucht, mich vor jedem
Engagement zu hüten? Habe ich mich nicht in die Erkenntnis dessen
ergeben, was ich bin, was mit mir los ist? Unter allen Frauen
ausgerechnet diese, die alles andere als meine Verbündete ist! Ich kann
nicht anders, ich muß sie lieben. Es ist so unvermeidlich und natürlich
wie das Versinken in Schlaf, wenn man zu lange ohne Schlaf auskommen
mußte. Was soll ich tun? Einpacken, ihr einen Abschiedsgruß
hinterlassen und davonlaufen? Warum nicht? Das hast du bei Keva doch
auch gemacht, nicht? Keva aber habe ich nicht geliebt. Um so besser.
Für jemanden, den du liebst, solltest du ein Opfer bringen. O Gott,
Selwyn, du bringst nur Tod! Du bist eine wandelnde Pest. Was redest du
da von Todeskuß? Du bist der Kuß des Halb-Todes. Nur herbei, Leute,
seht euch das Monstrum an: er spricht wie ein Mann, er geht drauflos
wie ein Mann, aber kommt er auch zum Ziel wie ein Mann? Seht euch doch
an, wie er sich vor euren Augen in einen Narren verwandelt. Und seht,
wie seine Opfer sich auf ihrem Lager in frustriertem Schmerz winden!
    Hör endlich auf! Hör auf, dich selbst zu zerfleischen.
Vielleicht ist es diesmal ganz anders. Du liebst sie, darin liegt der Unterschied, und wenn sie auf dich eingeht, wird
vielleicht – vielleicht – alles gut und du wirst
wieder so, wie du warst, bevor sie dich kaputt gemacht haben.
    Vom Hotel gingen wir zu Fuß zur Galleria
Vittorio Emmanuele, wo wir unter dem phantastischen, gewölbten Glasdach
der Arkaden etwas tranken. Dann schlenderten wir über die Piazza del
Duomo zu ›Giannino‹ hinüber, einem Restaurant, von dem ich immer wieder
gehört hatte, seit ich in Italien war. Dort sah es genauso aus, wie es
in einem großen, alten italienischen Restaurant aussehen sollte. Die
Kellner waren eindeutig für ihren Frack geboren, und das Essen übertraf
alle Erwartungen.
    Ich selber lieferte Grund zu befreiendem Gelächter, als ich
die Spezialität des Hauses, risotto certosina , als risotto certosino bestellte. Als Julietta
endlich zu lachen aufhörte, erklärte sie mir, ein certosino sei ein Karthäusermönch.
    Auf dem Rückweg ins Hotel fragte Julietta mich, ob es mir
etwas ausmache, wenn sie in den Dom gehe. Als wir eintraten, benutzte
sie weder Weihwasser

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