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Der Schatz von Franchard

Titel: Der Schatz von Franchard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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zurückkehrte; herein und heraus ging's an dem Postamt, wo er sein Telegramm aufgab und drei Stunden später eine Antwort mit dem Versprechen eines morgigen Besuchs erhielt, und so schwängerte er ganz Fontainebleau mit dem ersten prächtigen Aroma seiner göttlich guten Laune.
    Die Sonne stand bereits sehr tief, als sie sieh wieder auf den Weg machten; die Schatten des Waldes erstreckten sich über die breite, weiße Landstraße, die sie ihrem Heim zuführte; schon stieg der durchdringende Geruch des abendlichen Waldes wie eine Weihrauchwolke von dem breiten Feld der Gipfel auf, undselbst in die Straßen des Städtchens, wo die Luft den ganzen Tag über zwischen weißen Kalkmauern geschmort hatte, drang er, gleich einer fernen Musik, in Wellen und Intervallen ein. Als sie den halben Weg zurückgelegt hatten, schwand das letzte goldene Flackern von einer großen Eiche zur Linken; und als sie die jenseitige Grenze des Waldes erreicht hatten, war die Ebene schon in perlgrauem Nebel versunken, und ein großer, blasser Mond kam in himmelansteigendem Bogen durch die durchsichtigen Pappeln einhergezogen.
    Der Doktor sang, der Doktor pfiff, der Doktor redete. Er sprach von den Wäldern, von den Kriegen, vom Tau; er wurde munter und schwatzte von Paris; in einer Wolke dunstigen Bombastes entschwebte er aufwärts in die Herrlichkeit der politischen Arena. Alles sollte anders werden; mit dem scheidenden Tag sollten auch die Spuren einer überlebten Existenz schwinden, und die Sonne des Morgens würde das Neue mit sich bringen. »Fort, fort,« rief er, »mit diesem Leben der Kasteiung!« Seine Frau (noch immer schön, oder er müsse beklagenswert voreingenommen sein) sollte nicht länger hier lebendig begraben werden; sie würde in der Gesellschaft glänzen. Jean-Marie würde die Welt zu seinen Füßen sehen, der Weg zum Erfolge, zu Reichtum, Ehren und posthumem Reichtum würde ihm offenstehen. »Ach ja, à propos,« sagte er, »halt' nur um's Himmels willen den Mund! Du bist natürlich ein höchst schweigsames Bürschchen, eine Eigenschaft, die ich mit Freuden anzuerkennen bereit bin, – Schweigen, das goldene Schweigen! Dies jedoch ist eine sehr ernsteAngelegenheit. Kein Wort davon darf an die Öffentlichkeit dringen; einzig der gute Casimir darf etwas davon wissen; wir werden die Gefäße wahrscheinlich in England losschlagen müssen.«
    »So gehören sie uns nicht einmal ganz?« meinte der Junge fast schluchzend – es war das einzige Mal, daß er den Mund auftat.
    »In dem Sinne schon, daß sie niemandem sonst gehören«, erwiderte der Doktor. »Aber der Staat hätte schon einen gewissen Anspruch. Würden sie zum Beispiel gestohlen, so konnten wir keinen Ersatz verlangen; wir hätten keinen Besitztitel vorzuweisen; ja, wir dürften die Sache nicht einmal der Polizei melden. So ist der ungeheuerliche Zustand der Gesetze. Es ist nur ein Beispiel dafür, was es noch zu tun gibt, der Ungerechtigkeit zu steuern, die durch einen eifrigen, rührigen und philosophiebeflissenen Deputierten gesühnt werden muß.«
    Jean-Marie setzte seine Hoffnung auf Madame Desprez, und während sie zwischen den rauschenden Pappeln die Bourroner Chaussee entlang fuhren, betete er insgeheim und trieb sein Pferd zu ungewohnter Eile an. Sicherlich würde Madame gleich nach ihrer Ankunft ihre Charakterfestigkeit beweisen und diesem wachen Alpdruck ein Ende machen.
    Ihre Einfahrt in Gretz wurde von wütendem Hundegebell angekündigt und begleitet; sämtliche Dorfköter schienen den im Gig liegenden Schatz zu riechen. Auf der Straße befand sich jedoch niemand, drei müßige Landschaftsmaler vor Tentaillons Tür ausgenommen. Jean-Marie Öffnete das grüngestrichene Tor und führteWagen und Pferd hinein; fast im gleichen Moment betrat Madame Desprez mit einer brennenden Laterne die Küchenschwelle, denn der Mond stand noch nicht hoch genug, um über die Gartenmauer zu sehen.
    »Schließe das Tor, Jean-Marie!« rief der Doktor, indem er etwas unsicher vom Wagen kletterte. »Anastasie, wo ist Aline?«
    »Sie ist nach Montereau auf Besuch bei ihren Eltern«, sagte Madame.
    »Alles wendet sich zum Guten!« rief der Doktor bewegt. »Komm rasch hierher zu mir; ich möchte nicht zu laut sprechen«, fuhr er fort. »Liebling, wir sind reich!«
    »Reich!?« wiederholte seine Frau.
    »Ich habe den Schatz von Franchard gesunden. Schau her, hier sind die ersten Früchte davon; eine Ananas, ein Kleid für meine stets schöne Anastasie – es wird ihr stehen –

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