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Der Schatz von Franchard

Titel: Der Schatz von Franchard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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wie sie in Staub zerfielen«, sagte Jean-Marie. »Sonst wäre es mir ziemlich gleichgültig gewesen.«
    »Du hast keine Phantasie«, rief der Doktor. »Stell dirdoch die Szene vor! Verweile bei dem Gedanken: ein großer Schatz liegt jahrhundertelang in der Erde; der Stoff für eine Existenz des Leichtsinns, der Fülle und des Überflusses liegt brach; Kleider und herrliche Bilder werden nicht gekauft; die flinksten Pferde rühren, wie von einem Zauber befallen, keinen Huf; Frauen, mit der lieblichen Gabe des Lächelns begabt, lächeln nicht; Karten, Würfel, Operngesang, Orchester, Schlösser, wundervolle Gärten und Parks, große Schiffe mit Türmen von Segeltuch, liegen alle ungeboren im Sarge – und die dummen Bäume wachsen im Sonnenlicht Jahr um Jahr über sie hinweg. Der Gedanke kann einen doch rasend machen.«
    »Es ist doch nur Geld«, entgegnete Jean-Marie. »Es würde ja nur schaden.«
    »Na, na,« rief Desprez, »das ist Philosophie; das ist ja alles sehr schön, trifft aber den Nagel nicht auf den Kopf. Außerdem handelte es sich ja nicht ›nur um Geld‹, wie du es nennst; es waren auch Kunstwerke dabei; die Gefäße waren getrieben. Du redest wie ein Kind. Du machst mich wirklich müde, meine Worte so wie ein Papagei, aus jedem logischen Zusammenhang heraus, daherzuleiern.«
    »Nun, uns geht die Sache ja nichts an«, meinte der Junge gehorsam.
    In diesem Augenblick stießen sie auf die große Landstraße, und der plötzliche Wechsel von der Waldesstille zum rasselnden Straßenpflaster bewirkte, zusammen mit seinem Ärger, daß der Doktor schwieg. Das Gig holperte weiter: die Bäume glitten vorüber, in schweigender Beobachtung, als hätten sie etwas auf dem Herzen.Vorbei gings an der Wegkreuzung; dann hatten sie Franchard erreicht. Sie stellten das Pferd in dem kleinen einsamen Gasthof ein und gingen im Schlenderschritt weiter. Die Schlucht war dunkelrot von Heidekraut; die Felsen und Birken leuchteten in der Sonne. Lautes Biengesumm machte Jean-Marie schläfrig, und er setzte sich gegen einen Klumpen Heidekraut, während der Doktor beim Sammeln seiner Kräuter in raschen Wendungen hin und her ging.
    Dem Jungen war der Kopf leicht auf die Brust gesunken, die um die Knie geschlungenen Finger hatten sich entspannt, als er durch einen plötzlichen Schrei aus die Füße gerissen wurde. Es war ein seltsamer Laut, dünn und abgehackt; er fiel gleichsam zu Boden, und Stille kehrte wieder, als hätte man sie nie gestört. Er hatte des Doktors Stimme nicht erkannt; da aber niemand anders sich in dem Tale befand, mußte es offenbar der Doktor gewesen sein, der den Laut ausgestoßen hatte. Er spähte nach links und rechts, und da stand Desprez in einer Nische zwischen zwei Felsblöcken und blickte auf seinen Adoptivsohn mit einem Gesicht, weiß wie Papier.
    »Eine Viper!« schrie Jean-Marie und rannte auf ihn zu. »Eine Viper! Sie sind gebissen worden!«
    Der Doktor trat schweren Schrittes aus dem Spalt heraus und ging schweigend auf den Jungen zu, den er rauh bei der Schulter packte.
    »Ich habe ihn gefunden«, sagte er und rang nach Luft.
    »Eine Pflanze?« fragte Jean-Marie.
    Desprez bekam einen Anfall unnatürlicher Heiterkeit,den die Felsen aufgriffen und nachahmten. »Eine Pflanze!« wiederholte er verächtlich. »Ja – natürlich – eine Pflanze. Und hier,« fuhr er plötzlich fort, seine rechte Hand zeigend, die er bisher hinter dem Rücken verborgen hatte, »hier ist eine der Zwiebeln.«
    Jean-Marie erblickte einen schmutzigen, ganz mit Erde bedeckten Teller.
    »Das?« rief er. »Das ist ja ein Teller!«
    »Das ist ein Wagen und Pferde«, schrie der Doktor. »Junge,« fuhr er, wärmer werdend, fort, »ich riß ein dickes Moospolster von diesem Felsen los und entdeckte einen Spalt; und als ich in den Spalt hineinsah, was meinst du wohl, das ich da erblickte? Ich sah ein Haus in Paris mit Hof und Garten, sah meine Frau in Diamanten erstrahlen, sah mich selbst als Deputierten, sah dich – ja, ich – ich sah deine Zukunft«, schloß er ein wenig matt. »Ich habe soeben Amerika entdeckt«, fügte er hinzu.
    »Aber was ist es denn wirklich?« fragte der Junge.
    »Der Schatz von Franchard«, schrie der Doktor, und seinen braunen Strohhut auf die Erde werfend, stieß er ein Indianergeheul aus und stürzte sich auf Jean-Marie, den er mit Umarmungen erstickte und mit Tränen benetzte. Dann warf er sich der Länge nach ins Heidekraut und lachte von neuem, bis das Tal widerhallte. Allein der Junge empfand jetzt

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