DER SCHAWINSKI CODE – Die Biografie von Roger Schawinski (German Edition)
Freund. Hatte nicht einmal Journalist Walter Bretscher etwas von diesem steinreichen Bonvivant erzählt, der beim Jazzfestival in Montreux den ominösen schwarzen Ferrari für Miles Davis besorgt hatte? Tatsächlich: Beim Skifahren in Zermatt war Bretscher mit einem Deutschen ins Gespräch gekommen, und dieser hatte ihm zum Abschied zugeraunt: «Wenn Du von einem guten Geschäft hörst, ruf mich einfach an!»
«Kein Problem», sagte Bretscher jetzt am Telefon, «ich bringe Euch nächste Woche zusammen.»
Sie trafen sich im Zürcher Restaurant Kronenhalle, und Bernd Grohe, so hiess der Industriellensohn mit Wohnsitz am Genfersee, war sofort Feuer und Flamme für Schawinskis verrückte Idee.
Noch am gleichen Abend telefonierte Grohe seiner Schwägerin Ina. Er habe soeben eine Million Franken in das Radioprojekt eines verrückten Zürchers investiert!
Warum die Schwägerin des Financiers nach über zehn Jahren vom Karussell fliegt
Kampfgenossin Ina und das vergiftete Familienglück
Wir treffen uns im Hotel Atlantic. Dort sei es hell und vor allem sehr ruhig, meinte Ina Guiton – die Schwägerin von Bernd Grohe – am Telefon. Seit ihrer Scheidung von Roger Schawinski vor knapp zehn Jahren lebt sie wieder im süddeutschen Baden-Baden, wo sie ihre Kindheit verbrachte.
Die Aussicht ist prächtig an diesem sonnigen Tag: Vor dem Fenster fliesst die Oos, man sieht hinauf zum Casino und zum Kurhaus aus dem 17. Jahrhundert. «Morgen kommt Nelson Mandela auf Besuch, letztes Jahr hat uns Boris Jelzin zugewinkt, und übermorgen kommt Roger Schawinski vorbei», schmunzelt die gepflegte Frau mit den schulterlangen Haaren. Hier sei man eben im Zentrum des Weltgeschehens.
Die Kellnerin bringt einen Tee. Wie alles anfing? Mit einem Anruf ihres Schwagers: «Komm, schau Dir das doch einmal an», habe Bernd Grohe im Oktober 1979 zu ihr gesagt, er sei bei einem Radio eingestiegen, das von Italien aus nach Zürich senden wolle.
«Wenn das nur gut geht», seufzte Ina. Zusammen mit Grohes Frau und der 14jährigen Tochter besichtigten sie das Radiostudio, eingerichtet in der hintersten Wohnung einer trostlosen Reihenhaussiedlung im italienischen Cernobbio bei Como, und anschliessend das tonnenschwere Antennenmonstrum auf dem Pizzo Groppera. Von hier aus wollte also dieser Schawinski mit seinen Radiowellen über die Bündner Alpen in die etwa 120 Kilometer entfernte Region Zürich einstrahlen? Ina war beeindruckt von der Kühnheit dieses schnauzbärtigen, immer unter Strom stehenden Journalisten.
Wie schnell der Mann zur Sache kam, merkte sie auf dem Rückweg über den San Bernardino. Er müsse in den nächsten Tagen noch einmal nach Italien, um eine neue Küche für das Radiostudio auszusuchen, fing er an. Leider habe er überhaupt kein Flair für Inneneinrichtungen, ob sie ihn nicht vielleicht begleiten wolle?
Ina hatte nichts dagegen – und von diesem Moment an geriet sie in den Strudel der Ereignisse. «Es herrschte ein unglaublicher Pioniergeist, der mich sofort gefangennahm», sagt sie. Nicht zuletzt habe es Schawinski auf ihre beruflichen Fähigkeiten abgesehen gehabt: Ina war Regieassistentin, und er brauchte dringend jemanden, um für das erste kommerzielle Radio die Werbespots zu produzieren.
Zusammen mit Roger schmiss sie in Zürich den Laden, suchte Moderatorinnen und Moderatoren, vertonte Slogans, produzierte Sendungen – und wenn sie am Wochenende völlig übermüdet mit dem Auto nach Como ins Sendestudio fuhren, wechselten sie sich am Steuer ab, um nicht einzuschlafen. Niemand wunderte sich, dass sie bald ein Liebespaar waren.
Während des Kampfs um Radio 24 verflogen die Monate wie im Zeitraffer: Sie begleitete ihren Roger auf dem «Marsch auf Bern» und deponierte vor dem Bundeshaus 212’000 Unterschriften «für ein freies Radio in der Schweiz», sie stand an seiner Seite bei der Demo auf dem Zürcher Bürkliplatz, als 5000 Fans «Roschee! Roschee!» schrieen, und sie war eine der beiden Mutigen, die auf dem Pizzo Groppera unter grossem Risiko die amtlichen Siegel brachen, um den stillgelegten Sender wieder in Betrieb zu setzen. «Ich habe nie überlegt, was nachher kommt», sagt Ina, «zum Nachdenken blieb damals keine Zeit.»
Das Erwachen kam Mitte April 1981, kurz vor der Geburt ihres Sohnes Kevin. Unvermittelt sah sich die Radiopiratin in einer neuen Rolle: als Mutter. So lange wie möglich versuchte sie im Geschäft mitzuhalten, doch spätestens zwei Jahre später, als Tochter Joelle dazukam, sehnte
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