Rom - Band III
XII.
Es war zehn Uhr, als Pierre und Narcisse, nachdem sie im Café de Rome dinirt und dann dort in einem langen Geplauder der Zeit vergessen hatten, zu Fuß über den Corso gingen, um sich in den Palazzo Buongiovanni zu begeben. Sie hatten die größte Mühe, ans Thor zu gelangen. Die Wagen kamen in geschlossener Reihe an, und die Menge der Neugierigen, die trotz der Polizisten stehen blieben und den Fußweg überschwemmten, wurde so dicht, daß die Pferde nicht mehr vorwärts konnten. Aus den zehn hohen Fenstern des ersten Stockwerks in der langen, monumentalen Fassade loderte ein heller, weißer Schein, die Tageshelle der elektrischen Lampen, welche die Straße, die in der Menschenflut festgekeilten Wagen, die Schlagwelle der aufgeregten, leidenschaftlichen Leute inmitten des außerordentlichen Aufruhrs von Gesten und Schreien wie mit Sonnenlicht beleuchteten.
Aber es war dies nicht nur die gewöhnliche Neugierde, Uniformen anzuschauen und Frauen in kostbaren Toiletten aussteigen zu sehen; Pierre hörte bald, daß diese Menge auf die Ankunft des Königs und der Königin warte, die ihr Erscheinen bei dem Festballe zugesagt hatten, den Fürst Buongiovanni zur Feier der Verlobung seiner Tochter Celia mit dem Lieutenant Attilio Sacco, dem Sohne eines Ministers Seiner Majestät, gab. Außerdem war diese Heirat eine Wonne für alle Welt, die glückliche Lösung einer Liebesgeschichte, die die ganze Stadt lebhaft anzog; die Erzählung von dem Blitzstrahl der Liebe, dem jungen und so schönen Paar, der hartnäckigen, alle Hindernisse besiegenden Treue unter romantischen Umständen ging von Mund zu Mund, feuchtete alle Augen und ließ alle Herzen klopfen.
Diese Geschichte hatte Narcisse Pierre noch beim Nachtisch, während sie die zehnte Stunde abwarteten, erzählt. Er kannte sie teilweise. Man behauptete, wenn der Fürst nach einer letzten, schrecklichen Scene endlich nachgegeben habe, so hätte er es nur gethan, weil er befürchtete, Celia eines schönen Abends am Arme ihres Geliebten den Palast verlassen zu sehen. Sie drohte ihm nicht damit, aber in ihrer jungfräulich-unwissenden Ruhe lag eine solche Verachtung all dessen, was nicht ihre Liebe war, daß er sie für fähig hielt, in aller Naivität die schlimmsten Thorheiten zu begehen. Die Fürstin, seine Frau, eine phlegmatische, noch schöne Engländerin, die für das Haus genug gethan zu haben glaubte, indem sie ihm fünf Millionen Mitgift zubrachte und ihrem Gatten fünf Kinder schenkte, hatte das Interesse an der Sache verloren. Der Fürst, unruhig und schwach bei all seiner Heftigkeit, in der das alte, bereits von der Mischung mit einer fremden Rasse verdorbene Römerblut zu erkennen war, handelte nur mehr unter dem Druck der Furcht, sein bisher inmitten der angehäuften Ruinen des Patriziats unversehrt gebliebenes Haus und Vermögen zusammenbrechen zu sehen; indem er zuletzt nachgab, hatte er wohl dem Gedanken gehorcht, daß er sich durch seine Tochter ralliiren und im Quirinal festen Fuß fassen konnte, ohne sich trotzdem vom Vatikan zurückzuziehen. Zweifellos war es eine brennende Schmach und sein Stolz blutete über diese Verbindung mit den Saccos, diesen Nichtsmenschen. Aber Sacco war Minister und er war so rasch von Erfolg zu Erfolg geschritten, daß er auf dem Wege zu sein schien, noch höher zu steigen und nach dem Portefeuille des Ackerbaues noch das der Finanzen zu erobern, nach dem es ihm schon lange gelüstete. Wer es mit ihm hielt, besaß die sichere Gunst des Königs und einen gesicherten Rückzug nach jener Seite, wenn der Papst eines Tages unterging. Dann hatte der Fürst Erkundigungen über den Sohn eingezogen und ward von diesem so schönen, so tapfern, so gradherzigen Attilio, der die Zukunft, vielleicht das glorreiche Italien von morgen war, etwas entwaffnet. Er war Soldat, man konnte ihn zu den höchsten Graden poussiren. Die Welt fügte boshaft hinzu: der letzte Grund, der den Fürsten, der sehr geizig und ganz verzweifelt war, weil er sein Vermögen unter seine fünf Kinder zerteilen mußte, zum Nachgeben bestimmte, sei der glückliche Umstand, daß er Celia eine lächerliche Mitgift geben konnte. Und nun, nachdem er die Heirat einmal bewilligt hatte, war er entschlossen, die Verlobung mit einem glanzvollen Feste zu feiern, wie sie deren nur noch selten in Rom gegeben wurden. Die Thüren sollten aller Welt offen stehen, die Herrscher eingeladen werden und der Palast so strahlen, wie in den großen Tagen von einst. Mochte dabei auch viel
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