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Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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vor, versuchte, ihren Blick festzuhalten. Doch obwohl sie ihn anschaute, sah sie ihn nicht. Ihre Hände klappten das Album zu. Langsam stand sie auf und schlurfte davon.
    »Verflucht!«
    Was hatte er falsch gemacht? Was hätte er sagen können, um sie zu halten?
    »Gespräche mit Demenzkranken sind eine Gratwanderung«, sagte Frau Stein da hinter ihm. »Man muss sich immer beider Ebenen bewusst sein, der objektiven und der subjektiven Wirklichkeit. Bei unseren Heimbewohnern verschieben sie sich.«
    »Wie auf einem dieser Städtebilder von Ernst Ludwig Kirchner«, sagte Bert.
    Frau Stein nickte. »Ein Gedanke überlagert den anderen, eine Wahrnehmung geht in die andere über.«
    »Was bedeutet das für das Ergebnis einer Unterhaltung?«, fragte Bert.
    »Wenn es so etwas gäbe wie einen Schlüssel, dann hätten wir wesentlich weniger Probleme bei unserer Arbeit.« Sie lächelte. »Hatte das Gespräch mit Frau Sternberg denn ein Ergebnis?«
    »Sie zeigte mir das Foto von einem Ferienhaus. Wissen Sie, ob es noch in ihrem Besitz ist?«
    Frau Stein hob die Schultern. »Da bin ich überfragt. Aber wir können ihren Mann anrufen.«
    Wieso war Bert davon ausgegangen, dass es diesen Mann nicht mehr gab? Seit wann neigte er zu vorschnellen Schlüssen?
    »Kommen Sie.« Frau Stein war eine Frau der Tat. »Gehen wir in mein Büro.«
     
    Cleo saß sehr aufrecht und beobachtete Ben, der gereizt umherlief und immer wieder aus dem Fenster spähte. Sie hatte ihren Kopf und ihren Körper mit Ruhe gefüllt. Nur so konnte Kraft entstehen.
    Neben ihr hatte Merle sich in einer Sofaecke niedergelassen. Sie war blass und still, hatte jedoch noch kein einziges Mal auf ihre Uhr geblickt. Cleo bewunderte Menschen, die keine Schwäche zeigten. Sie wusste nur zu gut, wie schwer das war.
    Noch sechzehn Minuten. Wenn Jette dann nicht zurück war, würde sich Bens ganze aufgestaute Wut über Merle entladen. Einige aus dem Team erinnerten sich an Situationen, in denen Ben ausgerastet war.
    Nachdem sie erfahren hatten, dass Ben den Vater und Max ermordet hatte, war ein Damm gebrochen. Der Scherbensammler hatte ihnen Bilder gezeigt. Erinnerungen. Sie hatten den Tod der kleinen Katze gesehen.
    Clarissa hatte sich in ihren Kummer ergeben.
    Marius hatte geschworen, kein Wort mehr mit Ben zu wechseln.
    Minouschka trauerte um den Vater.
    Cleo aber hatte sich von allen Gefühlen frei gemacht und sich der Situation gestellt. Sie fragte sich nicht, wohin das verschwunden war, was sie all die Jahre mit Ben verbunden hatte. Sie bedauerte weder ihn, noch die Toten, noch sich selbst. Sie versuchte, nicht an Merle zu denken. Sie brauchte ihre ganze Kraft, um für den Notfall gerüstet zu sein.
     
    Kurz vor der Wegbiegung verschnaufte ich. Es wäre unklug, zu früh anzukommen, denn dann würde Ben wissen, dass ich gelaufen war. Aber erkannte man das nicht schon an meinen nassen Haaren und den verschwitzten Klamotten?
    Einen Teil des Geldes, das Ben mir mitgegeben hatte, warf ich ins Gebüsch. Er sollte glauben, ich hätte im Laden bezahlt. Ich rubbelte mir die Haare an Stirn und Schläfen und im Nacken mit einem der Taschtücher, die ich gekauft hatte, trocken und zog die Jacke aus. Der kühle Wind war wohltuend. Für  einen winzigen Moment legte ich den Kopf in den Nacken und bildete mir ein, hier Urlaub zu machen. Unbeschwert und fröhlich und ohneAngst.
    Dann zog ich die Jacke wieder an, kämmte mich mit den Fingerspitzen und marschierte los.
     
    Herrn Sternberg hatte Bert nicht erreicht, doch er hatte mit einer Tochter der Sternbergs telefoniert. Die hatte bestätigt, dass sich die Bauernkate noch im Besitz der Familie befand, jedoch seit Jahren nicht mehr genutzt wurde.
    »Niemand außer meiner Mutter interessiert sich dafür«, hatte sie gesagt. »Aber mein Vater hat es bisher nicht übers Herz gebracht, das Haus zu verkaufen. Die Schlüssel liegen, soweit ich weiß, immer noch in irgendeiner Schublade im Zimmer meiner Mutter.«
    Blietmoor, hatte Bert notiert, doch außer Norddeutschland hatte er mit dem Namen nichts in Verbindung gebracht. Er hatte das Gespräch rasch beendet und war Frau Stein zum Zimmer der alten Dame gefolgt, um nach den Schlüsseln zu fragen.
    Frau Sternberg lag angekleidet auf dem Bett, das Album neben sich. Ihre Augen waren geöffnet, doch sie schienen nichts zu sehen.
    »Wenn sie in dieser Verfassung ist, reagiert sie nicht«, erklärte Frau Stein. »Aber sie hängt sehr an dem Mädchen und hätte bestimmt nichts dagegen, wenn Sie

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