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Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Rücksitz, steckte den  Daumen in den Mund, schloss die Augen und träumte sich woandershin.
    Merle blieb bei ihr. Ich begleitete Tilo zurück in die Fabrik.
    »Wir brauchen Licht«, sagte Tilo. »Siehst du hier irgendwo einen Schalter?«
    Kurz darauf erfüllte strahlendes Licht den Raum. Alles war einfach und karg. Keine Heiligenfiguren, keine Mosaikfenster und keine Blumenbuketts. Keine pompösen Gewänder, keine Goldkelche und keine Weihwasserbecken.
    Ich konnte mir vorstellen, dass in dieser Umgebung noch echte Messen stattfanden. Wie zur Zeit der ersten Christen. Ohne Zierrat und Schnörkel. Trotzdem gefiel es mir hier nicht.
    Tilo war neben dem Mann in die Hocke gegangen und fühlte seinen Puls. Er beugte sich über ihn und hob eines der Lider an, um sich die Pupille anzuschauen. Dann drückte er dem Mann die Augen zu.
    »Ist er …«
    Tilo nickte. Er stand auf, vorsichtig, um nicht mit der Blutlache in Berührung zu kommen. Auf seinem linken Knie war ein roter Fleck. Er seufzte, zog ein Taschentuch aus der Tasche, spuckte darauf und rieb an dem Fleck, was ihn nur vergrößerte.
    »Großer Gott! Was für ein Tag!«
    Seine Gedanken waren nicht schwer zu erraten. Gleich würde er nach seinem Handy greifen.
    »Das da …« Ich zeigte auf den Toten. »Das ist nicht Mina gewesen.«
    Tilo steckte das Taschentuch weg und nickte. Abwesend.
    »Tilo! Mina hat nichts damit zu tun.«
    Endlich schaute er mich an. Sein Gesicht war grau und traurig. Er zog das Handy aus der Tasche. »Ich muss die Polizei rufen, Jette.«
    »Das darfst du nicht!« Ich hätte ihm das Handy am liebsten aus der Hand gerissen. »Mina steht das nicht durch.«
    »Wir werden ihr dabei helfen.« Er gab schon die Nummer ein. »Tilo Baumgart. Entschuldigen Sie, Herr Melzig, dass ich um diese Zeit … aber wir … haben einen Toten gefunden.«
    Er hatte nicht den Polizeinotruf gewählt. Hatte die Privatnummer des Kommissars im Kopf gehabt. Als hätte er sie sich für diesen Augenblick eingeprägt.
    »In der alten Kleiderfabrik … Nein. Ich kenne den Toten nicht … Noch etwas, Herr Melzig, Mina hat neben der Leiche gekauert. Sie ist völlig verstört … Ja. Wir warten … Nein, ich bin nicht allein. Jette und Merle sind bei mir, weil …«
    Er hielt das Handy ein Stück vom Ohr ab. Ich konnte die Stimme des Kommissars laut und deutlich hören.
    »Jetzt aber mal langsam, Herr Kommissar … Wir … Äh … Ja, bis gleich.« Tilo steckte das Handy wieder weg. Er wirkte verärgert.
    »Der Kommissar war sauer, stimmt’s?«
    »Ziemlich. Und reichlich unbeherrscht.«
    »Das hat mit Merle und mir zu tun.«
    »Was du nicht sagst.« Tilo verzog die Mundwinkel zu einem unfreiwilligen kleinen Lächeln.
    »Wir haben ihm schon zweimal ins Handwerk gepfuscht. Er reagiert da inzwischen ein bisschen empfindlich.«
    »Kann ich ihm nicht verdenken.«
    »Müssen wir auf ihn warten?«
    Tilo überlegte einen Moment. »Das kann ich Mina nicht zumuten.« Er gab mir seinen Autoschlüssel. »Und dir und Merle auch nicht. Fahrt nach Hause. Ich regele das hier allein. Mit euch kann der Kommissar sich später unterhalten.«
    Dankbar umarmte ich ihn und ging zum Wagen, stolpernd vor Müdigkeit.
    Mina war eingeschlafen. Ihr Kopf lehnte an Merles Schulter. Merle warf mir einen flehenden Blick zu. Als könnte ich einen Zauberstab hervorholen und alles in Ordnung bringen. Doch ich hatte keinen Zauberstab, sondern nur schlechte Nachrichten.
    »Tilo hat den Kommissar angerufen«, sagte ich und trat aufs Gaspedal.
    Bald würden die Vögel anfangen zu spektakeln. Ein neuer Tag würde beginnen. Wie sagte meine Großmutter immer?  Kommt Zeit, kommt Rat. Vielleicht hatte sie recht. Hoffentlich. Vielleicht zeigte sich morgen alles in einem anderen Licht.
     
    Bert hatte die Sitzheizung eingeschaltet und fror dennoch. Sich mitten in der Nacht zu einem Einsatz zu begeben, fiel ihm immer schwerer. Sein Kreislauf streikte und die hartnäckige Lust auf eine Zigarette setzte ihm zu.
    Er fluchte leise vor sich hin. Schon wieder hatten sich diese Mädchen in einen Fall eingemischt. Er kam sich allmählich vor wie dieser Depp von einem Kommissar in den alten Miss-Marple-Filmen. Nur dass er es statt mit einem Rentnerpaar mit zwei klugen jungen Frauen zu tun hatte und diese beiden zu allem Übel auch noch gern hatte.
    Wie waren sie in die Fabrik gelangt? In welcher Beziehung standen sie zu Mina Kronmeyer? Und wie, zum Kuckuck, hatten sie es überhaupt fertiggebracht, ein Mädchen zu finden, nach dem

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