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Der Schiffsjunge der Santa Maria

Der Schiffsjunge der Santa Maria

Titel: Der Schiffsjunge der Santa Maria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schwieger
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Vater noch am Leben war. Doch dann verlor Luis auch ihn, vor vier Jahren.
    Der Vater hieß Antonio und war Seemann. Sein Schiff war mit einer Ladung Zuckerrohr nach Sizilien aufgebrochen und dort nie angekommen. Über ein Jahr lang hatten Juana und Luis auf ein Lebenszeichen von Antonio gewartet. Vergeblich. Der kleine Luis war jeden Tag zum Hafen von Cádiz gegangen, hatte dort stundenlang ausgeharrt und die Matrosen der einlaufenden Schiffe nach seinem Vater gefragt. Vergeblich. Auch wenn Antonio nicht oft zu Hause war, hatte Luis ihn doch über alles geliebt. Seitdem er denken konnte, wollte er Seemann werden, genau wie sein Vater, die Weltmeere befahren und all die wunderbaren Länder kennenlernen, von denen Antonio so oft erzählt hatte. Fast jede Nacht träumte er von ihm. Die Erinnerung und die Träume waren das Einzige, das ihm von seinem Vater geblieben war. Und ein Kruzifix, ein kleiner silberner Anhänger, den Antonio ihm einst aus Venedig mitgebracht hatte. Auf seiner Rückseite waren die Worte »Meinem lieben Sohn Luis« eingraviert. Luis hütete dieses Kruzifix wie seinen Augapfel und trug es immer bei sich.
    Ein gutes Jahr nach dem Tod seines Vaters hatte Juana den dicken Rodrigo kennengelernt. Sie hatten ihre Heimatstadt Cádiz verlassen und warennach Palos gezogen, wo Rodrigo eine Hafenkneipe führte. Am Anfang hatte Rodrigo ihn wenigstens nur beschimpft. Doch bald schon hatte er immer wieder die Hand gegen Luis erhoben, ihn mit schwerer Arbeit überschüttet und ihm das Leben zur Hölle gemacht. Damit sollte nun für immer Schluss sein.
    Luis sog die frische Seeluft tief in seine Lungen. »Nie wieder zurück!«, murmelte er noch einmal. Doch wer würde einen Waisenjungen wie ihn aufnehmen? Er ließ seinen Blick über die Schiffe schweifen, die im Hafenbecken an der Kaimauer lagen. Ihm fiel eine dickbauchige Karacke auf. Etliche Matrosen und Hafenarbeiter beluden das Schiff, genau wie die beiden kleineren Karavellen, die neben ihr lagen. Plötzlich hatte Luis eine Idee. Ja, so müsste es gehen. Er ging die paar Schritte zu der Karacke und sprach einen Arbeiter an, der eben eine Pause machte und sich einen kräftigen Schluck aus einem Lederbeutel gönnte.
    »Entschuldige bitte. Weißt du, wohin dieses Schiff fährt?«
    Der Mann prustete und lachte laut auf. »Mensch, Bursche!«, rief er. »Du scheinst nicht von hier zu sein, was? Das Schiff hier und die beiden anderen wollennach Indien. Oder China. Oder nach Zipangu. Auf jeden Fall nach Asien. Hast du etwa noch nichts von dem Unternehmen gehört? Ganz Palos spricht doch seit Monaten davon!«
    »Doch, doch. Natürlich!« Luis nickte. Die Gäste in der Kneipe und auch Juana und Rodrigo hatten ja dauernd davon gesprochen. Von diesem wahnsinnigen Plan. Von diesem verrückten Mann aus Genua. Wie hieß er noch?
    »Das ist die Santa Maria«, sagte der Arbeiter. »Die beiden kleineren Schiffe heißen Niña und Pinta. Der Grauhaarige da neben dem Großmast, der mit der Hakennase, das ist der Admiral. Der tollkühne Genuese.«
    »Christoph Kolumbus?«, fragte Luis. Ihm war der Name wieder eingefallen.
    »Ja, so heißt er.«
    »Wann laufen die Schiffe aus?«
    »Morgen früh, gleich bei Sonnenaufgang.«
    »Danke, du hast mir sehr geholfen«, sagte Luis und ließ den Hafenarbeiter stehen.
    Juana und Rodrigo würden nicht nach ihm suchen, da war Luis sich sicher. Sie würden denken, dass er schon irgendwann nach Hause käme. Doch da sollten sie sich gewaltig täuschen!

    Nach Asien fuhr das Schiff! Und das nicht über Land, wie Marco Polo es einst getan hatte. Oder um Afrika herum, wie die Portugiesen es versuchten. Nein, auf dem Westweg wollte dieser Kolumbus reisen. Über den großen Atlantischen Ozean. Das hatte noch kein Mensch vor ihm gewagt.
    Luis trieb sich den ganzen Tag im Hafen herum, ungeduldig und voller Aufregung. Es war der 2.   August im Jahre des Herrn 1492.   Endlich, am frühen Abend, war es so weit. Die Männer hatten die Schiffe fast vollständig beladen. Die Besatzungen waren zur Kirche aufgebrochen, um dort für eine glückliche Fahrt zu beten.
    Jetzt war die Gelegenheit günstig. An der Anlegestelle der Santa Maria war es ruhig geworden. Irgendwie musste es Luis gelingen, auf das Schiff zu kommen. Nur ein Mann war an Bord geblieben: ein finsterer Geselle. Er trug eine rote Wollmütze wie die meisten Matrosen, hatte einen dunklen Vollbart, der nahezu sein ganzes Gesicht bedeckte, und eine schwarze Augenklappe. Er sah aus wie ein

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