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Der Schiffsjunge der Santa Maria

Der Schiffsjunge der Santa Maria

Titel: Der Schiffsjunge der Santa Maria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schwieger
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Kutsche unter lautem Getöse aus dem Hafen.
    »Ein Geschenk?«, fragte Kolumbus. »Nun denn. Miguel!«, rief er in Richtung Luis. »Schaff die Kiste an Bord! Und zwar schnell. Wir haben schon genug Zeit verloren. Ramon kann dir helfen, falls sie zu schwer ist.«
    Luis balancierte die Planke hinunter. Ein wenig mulmig war ihm jedes Mal dabei: Unter ihm das trübe Hafenwasser, und er selbst konnte nicht schwimmen. Bei der Kiste angekommen, schaffte er es nicht, sie alleine anzuheben, sie war einfach zu schwer. Er schaute Hilfe suchend zur Santa Maria hinauf.
    »Schwächling«, hörte er Ramon murmeln, der zu ihm gekommen war. Gemeinsam hoben sie die Kiste an. »Du gehst voraus.«
    Vorsichtig betrat Luis die schmale Planke. Er musste rückwärts gehen. Langsam setzte er einen Fuß hinter den anderen und hatte dabei die größte Mühe, die schwere Kiste zu halten.
    Da verspürte er den Stoß. Er verlor das Gleichgewicht. Die Kiste rutschte aus seinen Händen und landete krachend auf der Planke, die gefährlich anfing zu schwingen. Luis ruderte verzweifelt mit den Armen und fand keinen Halt. Ramon grinste hämisch und machte keine Anstalten, Luis zu Hilfe zu kommen. »Grüß die Fische von mir«, hörte Luis ihn noch sagen, als er nach hinten fiel. Das war’s, schoss es ihm durch den Kopf. Um ihn herum spritzte das Wasser auf. Luis schloss die Augen und schrie laut auf. Und sein rechter Arm tat ihm weh.
    Wieso tat ihm sein Arm weh?
    Wieso ging er nicht unter und ertrank?
    Luis öffnete die Augen und sah, wie zwei starke Hände ihn nach oben zogen. Wer hatte ihn   …? Er sah einen schwarzen Bart, eine Augenklappe und ein funkelndes schwarzes Auge. Polifemo zog ihn zurück auf die Planke und stellte ihn auf die Füße. Wie war der so schnell   …?
    »Alles in Ordnung?«, fragte der Einäugige mit einer Stimme, die Luis innerlich erschaudern ließ.
    »Ich denke schon«, stammelte er. Er zitterte am ganzen Körper.
    »Geh zurück auf das Schiff. Wir wollen ablegen. Und du   …«, Polifemo wandte sich Ramon zu und senkte seine Stimme zu einem bedrohlichen Flüstern, »du machst so etwas nicht noch einmal. Hast du mich verstanden?«
    »Verstanden«, murmelte Ramon und schaute betreten auf die Kiste zu seinen Füßen.
    Polifemo hob die Kiste auf, als wiege sie nicht mehr als ein mageres Hühnchen. Er brachte sie auf die Santa Maria zu Kolumbus.
    Am Abend desselben Tages, als sie schon viele Stunden unterwegs waren und die Sonne fern im Westen in den endlosen Ozean eintauchte, ließ der Admiral das Geschenk der Gouverneurin unter die Männer verteilen. Es waren Orangen, süße, saftige Orangen. Luis kannte diese köstliche Frucht bisher nur vom Hörensagen. Als er eine Orange im Schein der untergehenden Sonne schälte, merkte er, dass seine Hände immer noch zitterten.

Auf dem Purpurteppich
    Luis und Jacomo standen an der Reling und schauten hinaus auf das glitzernde Meer. Sie waren jetzt seit zwei Wochen auf dem schier endlosen Ozean unterwegs. Seit zwei Wochen fuhr die kleine Flotte unbeirrt in Richtung Westen, angetrieben von einem freundlichen Wind, der aus dem Osten kam und die Segel der Schiffe blähte.
    »Das ist der Passat«, hatte Kolumbus den Männern vor ein paar Tagen erklärt. »Er weht in diesen Breiten stets aus derselben Richtung, das ganze Jahr über. Von ihm lassen wir uns nach Indien treiben.«
    »Wie lange mag die Fahrt noch dauern?«, fragte Luis. Er und Jacomo hatten beide Pause. Sie hielten Angelruten ins Wasser und versuchten so, ein wenig Abwechslung in den öden Speiseplan der Santa Maria zu bringen. Polifemo kümmerte sich währenddessen um die Ampolleta.
    Jacomo zuckte mit den Schultern. »Niemand nix wissen. Don Christoph sage, hochstens noch zehn Tage, vielleicht zwolf.«
    »Das hab ich auch gehört. Aber die Männer werden allmählich unruhig, findest du nicht?«
    Jacomo nickte. »Niemand so lange auf Meer war, ohne Land sehen. Niemand auf ganze Welt.«
    »Und wenn wir in zwei Wochen immer noch kein Land erreicht haben? Oder in vier?«
    »Dann Admiral kriege große Problem.«
    Luis nickte stumm. Er wusste, was Jacomo meinte. Die Männer würden irgendwann zu große Angst bekommen und umkehren wollen. Sie würden den Befehl verweigern und dann   … Luis mochte sich die Meuterei nicht ausmalen.
    Jacomo riss ihn aus seinen Gedanken. »Woher du habe blaue Fleck auf Rippe?«
    Die beiden trugen nur kurze Hosen, sie waren braun gebrannt und ihre Oberkörper glänzten in der warmen Sonne. Auf

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