Der schlaue Pate
Achim.
»Entwarnung für euch, Ingrid«, hörte er Ollie aus dem Knopf im Ohr. »Er kommt nicht nach Hause.«
Achim warf einen kurzen Blick zu Jörg und Dirk hinüber, die über etwas debattierten und ihn überhaupt nicht beachteten, und betrat das La Mama.
Erich fuhr auf Prinz’ Anweisung mit dem Motorrad aus dem Gewerbegebiet und am Schloss vorbei bis zu der Straße, aus der Baginski am Silvestermorgen vom Parkplatz am Eulenturm gekommen war, um zur Autobahn zu fahren. Er rollte durch schmale Gassen mit eng stehenden Fachwerkhäusern und blieb mit laufendem Motor hinter der gotischen Stadtkirche am Marktplatz stehen. Von hier aus wäre er in Sekunden an dem Restaurant, das Ollie und Anja betraten, nachdem sie eine Minute gewartet hatten, ohne zu Jörg und Dirk zu blicken.
Prinz war bereits fast bei dem Restaurant angelangt, als er Ollie flüstern hörte.
»Der Laden ist immer noch leer. Kein Achim Wiederecht.«
Prinz betrat eine Buchhandlung, drei oder vier Geschäfte oberhalb des La Mama, und tat so, als würde er Buchrücken überfliegen.
Ollie und Anja setzten sich an einen Tisch, von dem Ollie, mit dem Rücken zur Wand, das ganze, eher kleine Restaurant überblicken konnte, und bestellten Pizzen und Wein.
»In irgendeinem Nebenraum brüllen sich zwei Männer an«, sagte Ollie in das Mikro, als die Kellnerin weg war. Eine halbe Minute später: »Achim ist gerade rausgestürmt. Er hat zu jemandem nach hinten gerufen: ›Das würde ihm aber guttun!‹«
Prinz trat aus der Buchhandlung und sah, wie Achim eilig in entgegengesetzter Richtung die Fußgängerzone hinunterlief.
»Ich hab ihn«, sagte er und folgte. »Mann, diese Abkürzung durch die Pampa hat uns ganz schön ins Schwitzen gebracht.«
»Das kannst du laut sagen. Pino Crotone ist gerade durchs Restaurant gegangen«, hörte er Ollie. »Ich hab ihn gefragt, worum es denn da gegangen sei. Er hat gesagt: ›Ach, bloß um ’ne Pokerrunde.‹«
»Er sitzt jetzt draußen und raucht«, hörte er Dirk sagen.
Achim lief zwischen Kirche und Rathaus über den Marktplatz, bis zum Ende der Fußgängerzone, bog links ab, nach wenigen Metern wieder links. Prinz sprintete bis zu der Querstraße – und sah gerade noch, wie Achim das Haus von Ellen Kaiser betrat. Mit einem Schlüssel.
»Ingrid, fahr mit Desirée zu Ellens Haus«, sagte Prinz in das Mikro.
Fünf Minuten später standen sie zu dritt vor der Tür. Prinz klingelte.
Sophie öffnete. »Oh. Hallo.« Sie sah Desirée an. »Ist was passiert?«
»Wir würden gern mit Achim reden«, sagte Desirée.
»Wieso?«
»Weswegen er sich gerade mit Pino Crotone gestritten hat.«
Sophie sah langsam von einem zum anderen. Auf Prinz blieb ihr Blick haften. Sie schüttelte den Kopf.
»Ihr seid verrückt. Die haben da eine Pokerrunde in einem Nebenraum. Saed würde gern mitspielen, aber Pino meint, Saed würde immer so neugierig rumschnüffeln, wenn er in dem Laden ist, wegen dieser Sache mit Pinos Bruder, vor zwanzig Jahren oder so. In Melsungen weiß jeder, dass Pino mit diesem Mafiakram nichts zu tun haben will, er hat sogar den Marcello rausgeschmissen, seinen Sohn, weil der … Jedenfalls, Pino will Saed nicht in der Pokerrunde haben, und das bringt Achim ihm gerade bei.«
Der erste Verhandlungstag nach der Aussetzung des Verfahrens begann nach dem Maifeiertag morgens um neun. Die Leute, die ab acht vor dem Gerichtssaal warteten, tuschelten aufgeregt, als Desirée und Ingrid gegen halb neun kamen.
»Es laufen Gerüchte um, der Prozess könnte heute schon mit Einstellung oder Freispruch enden«, berichtete Volker, als Desirée ihm seine Karte gab. Er gab sie ihr zerknirscht zurück. »Ich darf nicht rein. Ich werde vielleicht als Zeuge aufgerufen und muss draußen warten.«
Die Kaisers, Achim und Saed kamen um zwanzig vor neun. Desirée ging zu Sophie, entschuldigte sich noch einmal für den peinlichen Auftritt letzte Woche und gab ihr die Fotos und Baginskis Briefe an Ellen zurück. Die Fotos hatte sie alle gescannt und auf ihr Handy geladen.
»Das wird ein guter Tag für euch«, sagte Sophie zu ihr und sah sich nach ihren Verwandten um, die nicht glücklich wirkten.
»Weißt du schon was?«
Aber ihr Onkel Jürgen Kaiser schob sie weg, bevor sie antworten konnte, zur Tür des Gerichtssaals. Gleichzeitig öffneten die Justizbeamten die Tür zum Zuschauerraum. Desirée konnte nur hoffen, dass Ingrid es schaffte, ihr einen Platz in der ersten Reihe freizuhalten.
Prinz, Ollie und Erich entfernten die
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