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Der schlaue Pate

Der schlaue Pate

Titel: Der schlaue Pate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Schnell
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oder zehn. Kann natürlich sein, dass er bloß spazieren geht. Oder irgendwo essen geht. Ein einziger Anruf war interessant. Er war der Anrufer. Gestern Abend, gleich nachdem er gegen zehn heimgekommen war.«
    Mausklick, dann war das Tuten zu hören, ziemlich lang. Endlich: »La Mama.« Eine Frauenstimme. Stimmengewirr, Tellerklappern im Hintergrund.
    Achim: »Ricarda, kannst du mir noch mal Pino geben?«
    Ricarda: »Der sitzt noch an euerm Tisch.«
    Achim: »Bitte, Ricarda, es ist dringend.«
    Ricarda (seufzt): »Ich sag’s ihm. Warte einen Moment.«
    Es dauerte länger als eine Minute. Prinz sagte: »Er ist mit den Crotones auf Du.«
    Pino: »Du bist doch gerade erst gegangen, Achim.«
    Achim: »Mir geht die Sache nicht aus dem Kopf. Willst du dir das mit Saed nicht doch noch mal überlegen?«
    Pause.
    Pino: »Lass uns morgen noch mal drüber reden.«
    Er legte grußlos auf.
    Prinz sah auf seine Uhr. Halb drei.
    »Was meinen Sie, Herr Professor?«, fragte er Rind. »Er lässt Ellen umbringen, weil er meint, seine Töchter würden dann zu ihm ziehen? Aber sie bleiben mit Saed und den Brüdern in ihrem Haus. Und jetzt will er auch noch Saed aus dem Weg räumen lassen?«
    Rind sog nachdenklich an seiner Pfeife. »Hm, nun ja, ich weiß nicht genug über ihn, aber, hm … Dieses eintönige, einsame Leben, keine neue Frau. Distanziertes Verhältnis zur älteren Tochter, er klammert sich an die jüngere. Auf Ellens letztem Geburtstag war er eingeladen, vielleicht aus, hm, Mitleid. Während der Ehe war er extrem eifersüchtig, hat Baginski erzählt. Er sei ihr ständig hinterhergelaufen, soll sie zu ihm gesagt haben. Laut Baginski kannte Ellen ihn, seit sie dreizehn war. Er ist vier Jahre älter, als Siebzehnjähriger konnte er die Dreizehnjährige vielleicht beeindrucken. Später dann nicht mehr, aber er war ihr vertraut, sie wollte unbedingt Kinder, aus einem Grund, von dem er nichts wusste. Zwei Versuche des Zusammenlebens, aber laut Baginski sagte Ellen zu ihm, es sei furchtbar mit Achim. Es könnte sich um einen zutiefst unglücklichen Menschen handeln, der seit der Trennung eine, nun, hm, ungeheure Hassliebe zu ihr mit sich herumträgt. Wenn er tatsächlich so verschlossen ist, frisst er die seit vielen Jahren in sich hinein. War er ein Einzelkind?«
    »Ja«, sagte Desirée. »Der Vater war auch schon Wassermeister in Melsungen. Die Mutter ist letzten November gestorben, der Vater schon fast zwanzig Jahre tot.«
    Rind nickte. »Nach der Trennung zog er wieder zur Mutter ins Haus, im November verliert er seine vielleicht einzige echte, hm, Bezugsperson, und da, hm …«
    »Okay.« Prinz zückte sein Handy. »Die Stadtwerke machen um vier Feierabend, oder?«, fragte er Ollie.
    »Das sind Beamte.«
    »Hat der uns beide eigentlich schon mal gesehen?«
    »Einmal, als wir alle aus dem Gericht gekommen sind«, sagte Ingrid. »Ihr habt draußen gewartet, aber ich glaube nicht, dass er auf euch geachtet hat.«
    »Das Risiko werden wir eingehen müssen.«

34.
    Es war ein neueres Gebäude mit einem Giebeldach, auf dem lauter Sonnenkollektoren befestigt waren, am Ende eines Gewerbegebiets, das sich zwischen der Bahnlinie und der Fulda hinzog. Prinz schätzte, dass es kaum ein Dutzend Büros beherbergen konnte. Melsungen hatte keine fünfzehntausend Einwohner.
    Die einzige Straße war lang und schmal, lauter Parkplätze, keine Fußgänger. Zwischen Gebäuden, die großteils den Firmen B. Braun Melsungen und Kaiser Spezialarmaturen und Ventile gehörten, befand sich der Schießstand des örtlichen Schützenvereins.
    Dort lungerte Erich Geschorrek herum, der sein Motorrad abgestellt hatte. Diesmal war auch er nur mit einer .22er bewaffnet. Er war eigentlich nur Rückendeckung. Prinz wusste noch nicht, ob er Achim und Pino Crotone gleich mit seiner Vermutung konfrontieren wollte und was dann passieren würde, rechnete aber nicht sofort mit so gefährlichen Auseinandersetzungen, dass größere Artillerie nötig wäre.
    Andererseits waren über diese Kalabrier wilde Gerüchte im Umlauf. Vor ein paar Jahren waren in Duisburg bei einer Auseinandersetzung zweier ’Ndrangheta-Familien sechs Menschen erschossen worden, als sie nach einer Feier aus einem italienischen Restaurant wie dem La Mama kamen – das Jörg und Dirk um kurz nach vier betraten.
    Über die Kragenmikros meldeten sie, es liege keine zehn Fußminuten von dem Gebäude der Stadtwerke entfernt und sei leer; die tote Zeit zwischen dem Mittag- und dem Abendessen. Eine

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