Der Schluessel von Jirunga
wenn, wie du sagst, niemand d a von weiß?“ , fragte Lil.
„Jeder weiß, dass ich eine Abschrift besitze. Auch York glaubte da r an. Wer sollte vermuten, dass es sich um das Original handelt? York benötigt kein Original. Er benötigt lediglich den Inhalt. Er hätte sich mit der Abschrift begnügt. Doch er verließ mein Haus mit leeren Händen. Als er vor die Tür trat, kamen die Jäger. Sie waren ihm g e folgt. Er floh in die Einöde und verschwand am Horizont. Erst am nächsten Tag kamen die Jäger zurück und e r zählten mir, dass er den Schlüssel benutzt hat und sie ihn verloren haben. Sie ritten geknickt nach Eden zurück.“
Lil steckte das Buch Eden in seinen Beutel und schloss ihn sor g fältig.
„Es wird Zeit. Wir werden die Bücher zurückbringen und dann kannst du zurüc k kehren. Zurück nach Eden, mein Freund. Wir sehen uns bald wieder. Das verspr e che ich dir.“
Dann erhob er sich und ging zur Tür. Gerad folgte ihm. Sie wa r fen dem alten Zwerg noch einen letzten Blick zu und verließen dann se i ne Hütte.
Vierter Teil
* EDEN *
18
Der Erdgleiter raste mit fast siebzig Stundenkilometern über die immer trockener werdende, karge Landschaft. Immer noch bran n te die Sonne mit glühender Leidenschaft ihre Strahlen in die A t mosphäre. Der entgegenkommende Wind war heiß und glühte auf der Haut. Die Erde war ausgedörrt und hart wie Stein, so dass der Gleiter so stark vibrierte, dass einem schlecht werden konnte. Hie und da ragte ein dürrer, bräunlicher Kaktus jämmerlich aus einem Riss im Boden he r aus. Lil hielt seine Augen geschlossen und lugte nur gelegentlich in das karge Geflecht aus gellendem So n nenlicht und staubigem, au f gewirbeltem Erdreich. Er warf einen ku r zen Blick zu Gerad, der ebenfalls mit geschlossenen Lidern in seinem Sitz kauerte. Der Wind blies ihnen einen feinen Sandstaub entgegen, der es unmöglich mac h te, geradeaus zu schauen. Die gelegentlichen Seitenblicke, die sie sich erlauben konnten, boten einen spärlichen Blick auf das i m mer näher kommende Gebirge, das ihr Ziel darstellte.
„Wie lange noch?“ , brüllte Lil gegen den Wind ankämpfend.
Gerad hob seine Hände schützend vor die Augen und wagte einen Blick nach vo r ne.
„Ich kann nichts erkennen. Ich weiß nicht!“
„Halt den Gleiter an. Zieh die Bremse “ , bat Lil.
„Wieso?“
„Ich muss pinkeln, jetzt!“
Gerad zog sanft die Bremse und ließ den Wagen langsam sto p pen. Das Segel zog sich zusammen und drückte sich an den Mast des G e fährts. Als der Erdgleiter zum Stillstand kam, streckte sich Lil und wartete kurz, bis sich der aufgewirbelte Staub gelegt ha t te. Sein Mund war völlig ausgetrocknet, seine Nase rundweg ve r stopft und seine Haut mit einem dichten Staubfilm belegt, dass er das dringende Bedür f nis verspürte, sich auszuschütteln. Er erhob sich und entfernte sich ein paar Meter vom Fahrzeug um seine Blase zu leeren. Während er das tat, pfiff er mit den Li p pen eine Melodie.
„Was tust du?“ , fragte Gerad.
„Pinkeln... was hast du gedacht?“
„Das meine ich nicht! Warum pfeifst du?“
„Weil’s Spaß macht “ , erwiderte Lil.
„Oh...“
„Pfeifst du denn nie?“ , fragte Lil.
„Oh Ja. Wir pfeifen auf Festen, wenn es gutes Essen gibt und alle singen. Diejenigen, die nicht gut singen können... nun... ich me i ne... ich pfeife eben “ , erklärte Gerad.
„Das meine ich nicht . Pfeifst du, wenn du guter Dinge bist?“
„Guter Dinge?“
„Na j a! Wenn du gut drauf bist?“
„Gut drauf?“
„ Ja... du weißt schon... wenn es dir gut geht, verstehst du?“
„Wenn es mir gut geht? Du pfeifst... wenn es dir gut geht?“
„Schon gut... schon gut. Vergiss es einfach... o kay ? Reden wir nicht mehr darüber , warum ich pfeife!“
„Wie du meinst!“
Lil blickte zum Himmel. In der Ferne erblickte er die Schwingen einer Flugechse. Sie würden nicht lange verweilen können, denn die Vögel konnten sie recht gut orten. Es schien, als würden sie ihnen ständig folgen und nur darauf warten, dass sie anhielten. Diese ve r dammten Viecher warteten nur darauf, dass sie stehen bli e ben, damit sie über sie herfallen konnten. Lil griff nach seiner Wasserflasche und löschte seinen Durst. Es war völlig unmö g lich, während der Fahrt zu trinken. Die ständige Vibration, der entgegenströmende staubige Wind, es war utopisch, auch nur einen Versuch zu starten. Dazu kam das Risiko, die lederne Wa s serflasche zu verlieren, falls während des
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