Der Schluessel zum Glueck
die Hütte geschafft, aber es wäre mühsam gewesen, und der Recorder und die CDs würden noch immer im Schnee liegen.
Also würde Jilly tun, was er verlangte, zumindest in der nächsten Stunde. Sie schaute auf die Uhr – es war fünf nach acht – und warf ihm einen Blick zu. „Ich bleibe bis fünf nach neun hier liegen, keine Minute länger.“
Will sagte nichts, sondern ging zum Sessel, nahm das Buch, setzte sich und las weiter.
Jilly schob sich die beiden winzigen Kissen unter den Kopf und streckte sich auf dem alten Bettsofa aus. Dann legte sie sich den Eisbeutel so aufs Gesicht, dass er nicht herunterrutschen konnte, faltete die Hände auf dem Bauch und starrte an die Decke.
Während sie den einstmals weißen, von Rissen durchzogenen Anstrich der Täfelung betrachtete, lauschte sie angestrengt. Aber das Radio war so leise, dass sie nicht hören konnte, worüber die beiden Stimmen mit dem britischen Akzent sprachen.
Will blätterte um. Das Propangas-Heizgerät neben dem Durchgang zur Küche sprang an. Draußen heulte der Wind. Seufzend sah Jilly auf die Uhr: siebzehn Minuten nach acht. Diese Warterei war ja kaum auszuhalten!
Ja, Jilly wusste es: Zu ihren Schwächen gehörte auch eine gewisse Rastlosigkeit, die es ihr unmöglich machte, still zu liegen und nichts zu tun – es sei denn, sie schlief. Aber sie würde es schon schaffen. Sie würde die Abmachung einhalten und weitere achtundvierzig Minuten lang an die Decke starren.
Als Missy durch den Spalt im Vorhang aus Wills Schlafzimmer kam, konnte Jilly nicht widerstehen. Sie ließ den linken Arm vom Sofa herabhängen und winkte die Katze zu sich.
Will hob den Kopf. „Gibt’s ein Problem?“
„Nein.“ Jilly legte die Hand wieder auf den Bauch und sah nach oben. Etwa eine Minute später riskierte sie einen Blick in Missys Richtung.
Die Verräterin hockte zu Wills Füßen und schaute zu ihm hoch, als wäre er der größte Katzenfreund auf Erden.
Jilly hob den Eisbeutel an und tastete über die Beule. Die Schwellung schien schon zurückzugehen. Und der Kopfschmerz war fast vollständig verschwunden.
Es gab also keinen Grund, länger liegen zu bleiben. Außer dem, dass sie es Will versprochen hatte. Er wollte es so, damit er eingreifen konnte, falls sie Krämpfe bekam oder sich einbildete, Napoleon zu sein. So ein Unsinn!
Er musste ihren wütenden Blick gespürt haben, denn er ließ das Buch sinken.
„Was ist?“
„Nichts.“ Vorsichtig legte sie sich den Eisbeutel wieder auf die Stirn und setzte ihr Studium der rissigen Deckenfarbe fort. Jahrzehnte später – um fünf Minuten nach neun – legte sie den Eisbeutel endlich auf den Tisch und schwang die Beine vom Sofa.
Will sah sie an. „Wie fühlen Sie sich?“
„Gut. Sehr gut. Unglaublich gut.“
„Vielleicht sollten Sie…“
Jilly hielt eine Hand hoch. „Halt. Ich habe getan, was Sie wollten. Ich fühle mich großartig. Würden Sie mich jetzt bitte entschuldigen?“
„Na schön, Julian. Gehen Sie.“
Ich bin entlassen, dachte sie. Endlich. Erleichtert stand sie auf. Sie fühlte ein leichtes Pochen hinter der Stirn, mehr nicht. Also ging sie zu ihrem Mantel.
„Was zum Teufel soll das?“ fragte Will, als sie das Kleidungsstück vom Haken heben wollte.
Himmel, gib mir Kraft, dachte sie. Lass mich diese Nacht überstehen, ohne diesen Mann umzubringen. Sie nahm den Mantel herunter.
„Julian. Sind Sie komplett verrückt geworden? Sie haben sich heute Abend schon einmal fast umgebracht. Sie wollen es doch wohl nicht wieder versuchen.“
Die herablassende Art, in der er das sagte, brachte Jilly so sehr in Rage, dass sie ihm am liebsten einige unschöne Ausdrücke an den Kopf geworfen hätte. Aber irgendwie gelang es ihr, sich zu beherrschen, während sie ihm den Mantel hinhielt. „Sehen Sie das? Blutflecken? Wenn ich die jetzt nicht auswasche, bekomme ich sie nie wieder heraus.“
Will blinzelte. „Sie gehen also nicht ins Freie.“
„Nein.“
„Sie wollen nur Ihren Mantel auswaschen.“
„Genau das habe ich gesagt.“
„Das ist das Lächerlichste, was ich je gehört habe.“
Die Art, wie er das Wort .Lächerlichste’ aussprach, verriet Jilly, was er damit wirklich meinte. Er hielt sie für eine lächerlich Person.
„Will Bravo, Sie kommandieren mich herum.“
„Hängen Sie einfach den dummen Mantel zurück. Gehen Sie nach oben und legen Sie sich hin.“
„Sie sind wirklich unausstehlich. So verbittert und gemein!“
„Julian…“
„Ich kann doch nichts
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